„Nie Ling Fung “ aus Hongkong: Andy Nägelein krönt sein verrücktes Fußballleben als Nationalspieler
SCHWEINFURT / HONGKONG – Den Heimflug zum Weihnachtsbesuch in Deutschland hatte Andy Nägelein nochmal verschoben. Zugunsten laufender Vertragsverhandlungen. Danach geht es dann nach Hause ins Fränkische, wo der heute 32 Jahre alte Fußballer seine Karriere begann. Die führte Nägelein für ein paar Monate zum FC Schweinfurt 05 und inzwischen nach China und in die Metropole Hongkong, wo er am 5. Oktober 1981 geboren wurde.
Sein aus Deutschland stammender Vater arbeitete dort für eine Versicherung und lernte seine spätere Mutter kennen. Nach der Geburt zog man zurück. Die unabhängige Sonderverwaltungszone Hongkong hat eine eigene Fußball-Nationalmannschaft. Und für die kickt Andy Hannes Ling Fung Nägelein inzwischen.
Die Geschichte über den asiatischen Mittelfranken wäre auch ohne die späte internationale Karriere eine interessante. Der Deutsch-Chinese begann im Nürnberger Umland und auch beim Club (zusammen mit Andreas Wolf, heute AS Monaco) mit dem Kicken, war danach oft am scheinbar falschen Ort. Der FC Schweinfurt 05 bekamen 2004 keine Regionalliga-Lizenz mehr, schlitterten genauso in finanzielle Schwierigkeiten wie später der 1. SC Feucht, für den er bis Sommer 2005 auflief. Dann folgten Nägeleins beste Jahre mit zwei Zweitliga-Einsätzen für Wacker Burghausen und 30 Drittligaspielen im Dress von Kickers Emden. Mit Wacker stand er beim 1. FC Köln aus dem Rasen und gegen 1860 München. Für Emden schoss er 2009 sein einziges Drittligator gegen den VfB Stuttgart II und dessen Keeper Sven Ulreich. Nägelein war da 28 Jahre alt und auf dem Höhepunkt angelangt.
Doch Emden verließ aus finanziellen Gründen die 3. Liga. Nägelein hielt sich erst bei Nürnbergs zweiter Mannschaft fit, bekam dann über seinen Agenten ein Angebot von APEP Kyperounta auf Zypern. Dort aber verweilte er nur ein halbes Jahr, wechselte dann für eine Saison zum Shenzhen FC in China. Jetzt war er seinem Herkunftsland sehr nahe. Ert recht 2012, als ihn Yokohama FC, ein Erstligist aus Hongkong verpflichtete. Dazwischen lagen zehn Monate Pause wegen eines Beinbruchs, der Plan, nach Europa zurückzukehren, dann aber die Trennung von seiner Freundin nach 13 Jahren. Seit Juli 2013 spielt Nägelein nun wieder in China für Guizhou Zhicheng in Guiyang, das mit seinen vier Millionen Einwohnern als Kleinstadt gilt.
Nägelein feierte am 15. Oktober als Nie Ling Fung sein Debüt in der Nationalmannschaft Hongkongs, die in der aktuellen Weltrangliste auf Platz 144 irgendwo zwischen Palästina, Mauritanien, St. Kitts & Navis und den Malediven steht. „Nationaltrainer Pan-Gon Kim hat mich schon länger beobachtet und ich habe nach meinem Beinruch sehr gute Leistungen gebracht“, erzählt der 32-Jährige. Beim Qualifikationsspiel zur Asienmeisterschaft verlor das Team gegen die Vereinigten Arabischen Emirate mit 0:4. „Trotzdem war das eines meiner besten fußballerischen Erlebnisse. Mein Vater, der im Stadion war, meinte sogar, es sei mein bestes Spiel gewesen“, erzählt er.
Das Rückmatch einen Monat später in Abu Dhabi endete ebenso 4:0, auch gegen Usbekistan verlor Hongkong beim dritten Einsatz des Deutsch-Chinesen. Doch ein bei Nürnberg aufgewachsener Fußballer ist seitdem stolzer A-Nationalspieler. Dass er auf dem Flug in seine aktuelle deutsche Heimat Happurg erst einmal Station in Dubai und einen Kurzurlaub mit seiner ihn besuchenden Mutter machte, passt irgendwie zu Andy Nägelein….
Fragen an Andy Nägelein:
* Hätten Sie es zur Jahrtausendwende für möglich gehalten, dass Sie 2013 Fußball-Nationalspieler werden?
Andy Nägelein: Gute Frage! Sogar nach meinem Beinbruch im September 2012 dachte ich, das hätte sich nun erledigt. Viele haben mich da abgehakt. Auch wegen meinem Alter. Aber ich bin ein Kämpfer und gebe nie auf.
* Wäre eine Karriere im bezahlten Fußball in Deutschland denn nicht möglich gewesen?
Nägelein: Ich war ja im bezahlten Fußball in Deutschland. Aber das Ausland hat mich einfach gereizt. Und die Bezahlung in China ist ja auch ganz gut. Marcello Lippi oder Sven-Göran Eriksson verdienen als Trainer hier sicher auch nicht schlecht.
* Das mit der Sprache und der Schrift klappt?
Nägelein: Leider kommuniziere ich nur auf Englisch und bin auf einen Übersetzer angewiesen. Das mit der Schrift ist so, als wäre ich ein Kleinkind, das nicht lesen oder schreiben kann… Auch die Nationalhymne kann ich nicht mitsingen.
* Wie geht´s nun weiter? Immerhin sind Sie mit 32 nicht mehr der Jüngste…. Wie lauten ihre Pläne?
Nägelein: Durch meine sehr gute Rückrunde wurden viele Vereine auf mich aufmerksam. Ich habe Angebote aus der 1. und 2. Liga in China, könnte auch in Hongkong nächstes Jahr in der asiatischen Champions-League spielen, würde auf alle Fälle gerne einen Zwei- oder Dreijahresvertrag unterschreiben.
* Wär´s ein Traum, mal mit der Nationalmannschaft gegen Deutschland zu spielen?
Nägelein: Klar! Aber ob der sich mal erfüllen wird? Vielleicht kann der Kicker dazu ja beisteuern, der neulich einen Beitrag über mich machte!
* Sie sind ja Deutsch-Chinese. Was wäre denn gewesen, wenn sich Jogi Löw vor Oktober 2013 bei Ihnen gemeldet hätte?
Nägelein (lacht): Dann wäre es eng geworden! Meine Mutter wäre klar für Hongkong gewesen, mein Vater natürlich für Deutschland. Ich hätte mich knapp für Deutschland entschieden.
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