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Hochschul-Schrauber bauen Elektro-Dragster: GreenTeam jagt Grimsel

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ZÜRICH / STUTTGART / SCHWEINFURT – Die Schweizer gelten gemeinhin als etwas gemächlich. Ein Vorurteil, wie Studenten des Akademischen Motorsportvereins an der ETH Zürich eindrucksvoll bewiesen haben: Ihr selbstgebauter Elektroflitzer „Grimsel“ ist mit nur 1,785 Sekunden von 0 auf 100 km/h ins Guinness Buch der Rekorde gerast.

Ende nächster Woche will das schwäbische GreenTeam aus Stuttgart sogar noch schneller beschleunigen – auch dank der Unterstützung der deutschen SKF mit Hauptsitz im bayerischen Schweinfurt.

Eigentlich unglaublich, was die „Hochschul-Schrauber“ aus Baden-Württemberg da vorhaben. Warum? Weil ein Formel 1-Bolide etwa 2,5 Sekunden braucht, um von 0 auf 100 km/h zu sprinten. Weil selbst ein Eurofighter mit 2,4 Sekunden nur unwesentlich schneller ist. Weil man für noch flottere Antritte nach amerikanischen „Top Fuel“-Dragsters Ausschau halten muss, die in der Regel über mehrere Tausend PS verfügen.

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Und dann das: Das selbstgebaute Elektro-Auto aus Stuttgart soll die magische Zwei-Sekunden-Marke mit einer Leistung von „mindestens 100 kW“ knacken, wie es aus Kreisen der schwäbischen Nachwuchs-Konstrukteure heißt. „Wir haben unseren Rennwagen E0711-5 ausführlich getestet und sind überzeugt, dass wir den Titel zurück nach Stuttgart holen“, so der Weltrekordversuchsleiter des GreenTeams, Benedikt Bauersachs.

„Zurück“ deshalb, weil die Schwaben mit einem Vorgängermodell namens „E0711-2“ selbst schon einmal den Guinness-Rekord für das am schnellsten beschleunigende Elektrofahrzeug innehatten. Das war 2012. Damals reichten 2,68 Sekunden, um in das berühmte Buch zu heizen. Heute müssen die Stuttgarter allerdings den so genannten „Grimsel“ der ETH Zürich vom Thron stoßen: Erst Ende letzten Jahres war es der „Schweizer Garde“ in Sachen Elektro-Autos gelungen, in unfassbaren 1,785 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu beschleunigen. Bei Grimsel stand die „100“ schon nach weniger als 30 Metern Fahrt auf dem Tacho. Wer ohne Fallschirm aus dem Flugzeug springt, ist deutlich länger unterwegs.

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Um Grimsel dennoch abzuhängen, setzt das GreenTeam auf die „mindestens 100 kW“, die die schwäbischen Studis über vier Elektromotoren an allen Rädern auf die Straße bringen wollen. Hinzu kommen nach Angaben der baden-württembergischen Herausforderer eine „ausgeklügelte Regelung des Beschleunigungsvorgangs“ (also ein dynamisch angepasstes Drehmoment), eine „optimierte Gesamtfahrzeug-Aerodynamik“ und natürlich ordentliche Reifen. Außerdem schöpft der Stuttgarter Studenten-Rennstall eine gewisse Zuversicht aus dem „Gewicht-zu-Leistung-Verhältnis“ seines Autos: „Bei etwa 1,6 Kilogramm pro Kilowatt müssen wir uns selbst vor professionell gefertigten Supersportlern nicht verstecken“, meint Bauersachs. „Zum Vergleich: Ein Formel 1-Rennwagen hat etwa 1,0 kg/kW, ein Bugatti Veyron Supersport 2,08 kg/kW und ein Porsche 918 Spyder 2,50 kg/kW“.

Bauersachs hatte den E0711-5 (die Extension „5“ steht für die fünfte Generation des Autos) ursprünglich als technischer Projektleiter für den internationalen Konstruktionswettbewerb „Formula Student“ mitentwickelt. Bei diesem Wettbewerb messen sich Studenten aus aller Welt und vielen verschiedenen Fachrichtungen – gemäß eines einheitlichen Reglements – am Bau eines Rennwagens.

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Die vielen verschiedenen Fachrichtungen bedeuten zugleich: In der Formula Student ist das Beschleunigungsvermögen des Autos nur ein Bruchteil des Anforderungsprofils, das die Eigenkonstruktionen erfüllen müssen: „Hier ist nicht nur Schnelligkeit gefragt, sondern eine Kombination aus Ingenieurskunst, Rennperformance, Finanzplanung und Verkaufsargumenten“, erklärt David Fink, Sponsoring-Beauftragter des Stuttgarter GreenTeams.

Unter anderem müssen sich die Boliden in Disziplinen wie „Achter-Fahren“, „Autocross“ oder auch „Langstreckenrennen“ bewähren. Außerdem bewertet eine Art „TÜV“ aus Experten der Motorsport-, Automobil- und Zulieferindustrie die Konstruktion als solche sowie den Kosten- und Businessplan des herstellenden Rennstalls. „Ein schnelles Auto allein reicht also garantiert nicht, um hier zu gewinnen“, betont Fink. „Stattdessen müssen wir ein komplettes High-Tech-Paket auf die Beine stellen, das auch noch betriebswirtschaftlichen Ansprüchen genügt!“

SKF Schweizer 0Ziel der Formula Student ist es somit, den Studierenden praktische Erfahrungen in Konstruktion und Fertigung sowie wirtschaftlichen Aspekten des Automobilbaus zu vermitteln. Der akademische Nachwuchs soll aktiv gefördert werden, um damit langfristig dem nach wie vor drohenden Ingenieurmangel entgegenzuwirken. „Aus unserer Sicht als Automobilzulieferer hat dieser Wettbewerb zwei entscheidende Vorteile“, erklärt Bastian Mattlener, Manager Corporate Communication & Employer Branding bei SKF: „Durch eine Jury- oder Sponsorentätigkeit können wir nicht nur mit potenziellen Mitarbeitern in Kontakt treten. Wir haben darüber hinaus die Chance, sehr früh künftige Kunden kennenzulernen. Denn man darf getrost davon ausgehen, dass viele der hier so unfassbar engagierten Nachwuchs-Ingenieure später bei einem renommierten Automobilhersteller unterkommen!“

Aus Gründen wie diesen ist SKF einer der Hauptsponsoren der Formula Student Germany, die nunmehr ihren zehnten Geburtstag feiert. Beim Jubiläum sponsert das Schweinfurter Unternehmen insgesamt acht Teams: in der Klasse mit Verbrennungsmotoren die Rennställe FaSTTUbe Berlin, HAWKS Racing Hamburg und den Rennstall Hochschule Esslingen. In der Konkurrenz der elektrisch angetriebenen Eigenkonstruktionen erhalten Elbflorace Dresden, Elefant Racing Bayreuth, Fast Forest Deggendorf, das GreenTeam der Uni Stuttgart und das Team Starcraft Ilmenau Unterstützung, beispielsweise in Form von Rad- und Getriebelagern, Gelenkköpfen oder auch Dichtungen des Unternehmens.

In vielen dieser Fahrzeuge stecken mehr als 100 Komponenten von SKF – so natürlich auch im Auto der schwäbischen Weltrekord-Aspiranten. „Ohne die Unterstützung unserer Sponsoren könnten wir ein solches Auto gar nicht bauen“, ist sich GreenTeam-Mitglied David Fink sicher.

„SKF ist schon sehr lange mit dem Rennsport verbunden“, berichtet Manfred E. Neubert, Vorsitzender der Geschäftsführung der SKF GmbH. Beispielsweise unterstütze das Unternehmen die Scuderia Ferrari schon seit 1947. Das sei die längste technische Partnerschaft dieser Art in der Geschichte der Formel 1. Abgesehen davon statte SKF inzwischen fast jedes Formel 1-Team mit extrem leistungsfähigen Lösungen aus. „Dazu gehören heutzutage nicht mehr nur äußerst leichte, robuste und reibungsarme Lager sowie Dichtungen, sondern unter anderem auch Zustandsüberwachungstechnik für Motor-Prüfstände. Damit lassen sich die riesigen Datenmengen, die bei hohen Drehzahlen extrem schnell anfallen, zuverlässig verarbeiten“, so Neubert. Zur Orientierung: Die Formel 1-Daten wollen etwa einhundertmal schneller durch das System geschleust werden als in den komplexesten Industrieanwendungen.

„Für uns ist es wichtig, dass wir die Zukunft des Motorsports und die damit verbundene Technik dort beeinflussen können, wo sich auch der Nachwuchs damit beschäftigt“, meint der Chef der deutschen SKF. „Dafür bietet die Formula Student eine perfekte Plattform. Umso mehr drücken wir den jungen Talenten, die die für sie erforderlichen Technologien maßgeblich mitgestalten, alle verfügbaren Daumen!“

In Deutschland beginnt der reguläre „Grand Prix der Nachwuchs-Konstrukteure“, also die Formula Student Germany 2015, am 28. Juli. Bis dahin wird sich herausstellen, ob das Stuttgarter GreenTeam als neuer Beschleunigungs-Weltrekordhalter auf dem Hockenheimring anreist. Falls ja, werden noch 113 andere Studenten-Teams aus mehr als 34 Ländern alles daran setzen, die schwäbischen Hochschul-Schrauber wieder einzufangen. Dann wird das GreenTeam selbst zum Gejagten. Und die amerikanischen „Top Fuel“-Dragster sollten anfangen, sich Gedanken über alternative Antriebskonzepte zu machen.

Auf den Bildern:
Bild 1: Hält den aktuellen Beschleunigungs-Weltrekord: Grimsel vom Akademischen Motorsportverein an der ETH Zürich (Bild: AMZ Racing)
Bild 2: Der Herausforderer: Der E0711-5 des GreenTeams an der Uni Stuttgart (Bild: GreenTeam).
Bild 3: David Fink vom GreenTeam (rechts): „Ohne die Unterstützung unserer Sponsoren könnten wir ein solches Auto gar nicht bauen.“ (Bild: SKF)
Bild 4: Manfred E. Neubert, Vorsitzender der Geschäftsführung der SKF GmbH: „Für uns ist es wichtig, dass wir die Zukunft des Motorsports und die damit verbundene Technik dort beeinflussen können, wo sich auch der Nachwuchs damit beschäftigt.“ (Bild: SKF)



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