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Rechtsanwalt Richter: Corona und Kurzarbeit

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SCHWEINFURT/WÜRZBURG – In Teil III unser Serie über die rechtlichen Auswirkungen in der Corona-Krise geht es diesmal um die Kurzarbeit, die für über 3000 Betriebe in der Region bereits angemeldet wurde. Wir sprechen mit dem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht Christopher Richter über die Situation für die Arbeitnehmer in Schweinfurt.

Herr Rechtsanwalt Richter, wie kann man als Fachanwalt für Sozialrecht die Auswirkungen der Kurzarbeit beurteilen?
Die Kurzarbeit ist im 6. Teil des dritten Sozialgesetzbuches geregelt und gibt einen wichtigen Anspruch gegenüber der Bundesagentur als Sozialleistungsträger die vorübergehenden coronabedingten Auftrags- und Produktionsschwankunen durch eine Reduzierung der anstonsten normalen Arbeitszeit zu überbrücken. Gerade in einer Industriestadt für Schweinfurt mit ihrer starken Zulieferindustrie ist dies ein wichtiges Mittel, um Arbeitsplätze zu erhalten. Nach Medienberichten wurde übrigens die Dauer der Kurzarbeit durch Ministererlass kürzlich von 12 auf 21 Monate verlängert.

Kurzarbeitergeld bedeutet aber für die ArbeitnehmerInnen doch erhebliche finanzielle Einbußen – auch in Schweinfurt.
Richtig, Arbeitnehmer – auch Leiharbeiter – bekommen je nachdem, ob sie Kinder haben oder nicht 60% oder 67% des Unterschiedsbetrages zwischen dem Nettoeinkommen, dass sie ohne den Arbeitsausfall erzielt hätten und dem, was sie tatsächlich erhalten, wenn es eine entsprechende Regelung im Tarif-, Betriebs- oder Arbeitsvertrag gibt. Bei Schaeffler wird gerade eine entsprechende Betriebsvereinbarung verhandelt, wobei die Beschäftigten sogar vom Unternehmen einen Zuschuss erhalten, dass sie bis zum 90% des bisherigen Arbeitsentgelts erhalten. Diese ist eine Mammutaufgabe für die Gewerkschaft, denn in der Betriebsvereinbarung müssen neben Beginn und Ende der Kurzarbeit der Umfang und Lage der Reduzierung und die erfassten Arbeitnehmer und Abteilungen erfasst werden. Aber die IG-Metall ein erfahrenes Verhandlungsteam, dass dies schafft. Für andere Arbeitnehmer, die weniger Glück haben, wird der Weg zum Jobcenter als Hartz IV-Aufstocker oder zum Sozialamt (Wohngeld, Kinderzuschlag etc.) angezeigt sein.

Nach einer zum 13.03.2020 geschaffenen Sonderregel erhalten auch Zeitarbeiter Kurzarbeitergelt. Minijobber sind vom Kurzarbeitergeld dagegen weiter ausgeschlossen.
Was wenige derzeit im Kopf haben, ist, dass die Kurzarbeit Auswirkungen auf den späteren Rentenanspruch hat, weil nur das erzielte Ist-Einkommen beitragsrelevant ist. Bei Arbeitnehmern, die derzeit gar kein steuerpflichtiges Einkommen erhalten, kann sich das mittelfristig durchaus negativ auswirken und befördert Altersarmut. Ungerechtigkeiten in finanzieller Hinsicht ergeben sich zu einem bestimmten Punkt auch, wenn ArbeitnehmerInnen während oder nach der Corona-Krise in Elternzeit gehen wollen.

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In Schweinfurt gibt es viele ArbeiterInnen, die einen Akkordlohn beziehen und andere bekommen bestimmte Zulagen, die zum Zeitpunkt der Beantragung von Kurzarbeit noch gar nicht feststehen? Was gilt dann?
Beim Akkordlohn wird man in der Regel die letzten drei abgerechneten Monate vor Beginn der Kurzarbeit zur Bestimmung des Nettoentgelts hernehmen. Wenn quartalsweise abgerechnet wird also die Monate Januar bis März. Komplizierter wird es bei bestimmten Zuschlägen, etwa für bestimmt Erschwernisse, die steuerpflichtig sind. Hier wird man entweder die Höhe aus dem vorangegangenen Entgeltabrechnungszeitraum hernehmen müssen oder im Nachhinein die Erstattung bei der Arbeitsagentur beantragen

Kann man durch einen Nebenverdienst diese finanziellen Einbußen auffangen?
Ich sage „jein“. Grundsätzlich werden Einkünfte aus Nebentätigkeiten, die nach Beginn der Kurzarbeit begonnen werden, schon angerechnet. Jedoch gibt es eine Sonderregelung als Ausnahme zur Einkommensberücksichtigung für Personen, die eine solche Tätigkeit in systemrelevanten Branchen du Berufen, etwa in der Landwirtschaft, aufnehmen. Auf der Praktikumsbörse des Region Schweinfurt finden sich etwa zahlreiche Aushilfsjobs in der Corona-Krise, vom Weinanbaubetrieb über Metzgereien oder Supermärkte (https://www.landkreis-Schweinfurt.de/wirtschaft/praktikumsboerse-uebersicht/).
Alte Nebenjobs müssen übrigens nicht aufgegeben werden. Die Arbeitsverträge bestehen übrigens auch weiter, sie entfallen nicht, nur weil der Arbeitgeber sein Geschäft derzeit nicht betreiben kann.

Müssen tatsächlich 10% der Arbeitnehmer von einem Ausfall betroffen sein, damit ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht und was ist mit den restlichen 90%?
Ein Unternehmen kann die Ausfälle auch durchaus planen, so dass man das so einteilen kann, dass etwa in einem 100 Mann-Betrieb nur 10 Arbeitnehmer sechs Stunden weniger im Monat arbeiten. Die, die dann etwa nur 3 Stunden weniger arbeiten haben dann trotzdem einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Man kann sogar für einzelne Monate betriebsüblich normal arbeiten und dann verlängert sich einfach der Bezugszeitraum. Insgesamt ist es recht kompliziert, aber vieles ist möglich.

Was gilt für die Arbeitnehmer, wenn all diese Maßnahmen die Betriebsschließung nicht vermeiden können?
Dann wird für viele der Weg in die Arbeitslosigkeit und zunächst zur Bundesagentur für Arbeit folgen. Die Zeit des Bezuges von Kurzarbeitergelt gilt als Bezugszeit für die Arbeitsagentur, so dass die Wartezeit erfüllt werden kann (12 Monate innerhalb der letzten 2 Jahre). Bei der Höhe des Arbeitslosengeldes haben die coronabedingt Entlassenen aber keinen Nachteil, weil bei der Bestimmung der Höhe nicht das niedrigere Entgelt betrachtet wird, sondern das was die Person ohne die Kurzarbeit verdient hätte.

Abschließend der worst-case: Was ist, wenn während der Kurzarbeit krank werde?
Sie sprechen den Fall an, dass der Arbeitnehmer nach der Kurzarbeit krank ist, für bereits Erkrankte gilt anderes. Also: In dem Fall hat der Arbeitgeber für die verkürzte Arbeitszeit eine Entgeltzahlungspflicht, es besteht aber ebenfalls ein Anspruch auf Kurzarbeitergelt. Nach Ablauf von sechs Wochen bekommt der Arbeitnehmer dann sein Krankengeld, was aber aus seinem bisherigen regulären Arbeitsentgelt berechnet wird (in der Regel 70 % des bisherigen Bruttoentgelts). Weil das Krankengeld ein sehr mächtiger Anspruch ist, der auch die Rentenhöhe positiv beieinflusst, lohnt es sich um ihn zu kämpfen wie ein Löwe.

Wir danken für das Interview.

Mehr Infos unter www.anwaltskanzlei-wue.de



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