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Film-Matinee im KuK:  75 Interessierte schauten „Wackersdorf“ am 33. Jahrestag der Atomkatastrophe von Tschernobyl

Keiler Helles

SCHWEINFURT – 75 Interessierte sind am Sonntag, 28. April dem Aufruf des Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft (SWAB) gefolgt, um bei einer Film-Matinee mit dem Film „Wackersdorf“ im Schweinfurter Programm-Kino KuK des 33. Jahrestages der Atomkatastrophe von Tschernobyl (Ukraine) zu gedenken.

Babs Günther, Sprecherin des SWAB, erläuterte bei der Begrüßung, dass auch nach 33 Jahren in einigen Gebieten Deutschlands die Auswirkungen des radioaktiven Fall-out, der über Europa niedergegangen war, nachzuweisen seien. Ein großes Gebiet um das Atomkraftwerk, in dem es am 26.April 1986 zu Explosion und Super-Gau gekommen war, bleibt aufgrund der radioaktiven Verseuchung dauerhaft unbewohnbar; der Atom-Unfall bewirkte enorme ökologische und ökonomische Schäden, Leid und Krankheit – auch bei Folgegenerationen. Ca. 60 000 Tote sind als Opfer der Tschernobyl-Katastrophe zu beklagen. Deshalb sei es wichtig, auch nach der langen Dauer dieses Unglücks zu gedenken: Tschernobyl stehe als Mahnung und Symbol dafür, dass Atomenergie im Unglücksfall nicht zu beherrschen und die Verbreitung von radioaktiven Partikeln nicht zu begrenzen ist.

Landrat Florian Töpper sprach in seinem Grußwort von seiner persönlichen Überzeugung, dass die Fortführung – oder gar Ausweitung – von Atomenergie, wie sie zur angeblichen Sicherung des Energiebedarfs von manchen Kräften propagiert werde, der falsche Weg sei. Töpper verwies darauf, dass  Schweinfurt / Grafenrheinfeld auch nach der Abschaltung des AKW Grafenrheinfeld Atomstandort sei und es noch lange bleiben werde. Die Themen Rückbau und Atommüll stehen an – die Arbeit und die Aktionen des SWAB seien auch weiterhin wichtig. Landrat Töpper stellte fest, dass es inzwischen deutliche Unterschiede zu den Auseinandersetzungen um den damals geplanten Bau der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf gebe – man begegne sich mehr auf Augenhöhe. Er begrüßte die Würdigung bürgerschaftlichen Engagements  und der bemerkenswerten Zivilcourage des früheren Schwandorfer Landrats Hans Schuierer durch den Film „Wackersdorf“ von Oliver Haffner.

Zum Filmgespräch konnte Babs Günther mit Claus Bößenecker und RA Wolfgang Baumann zwei „echte“ Protagonisten und Gegner der WAA Wackersdorf begrüßen.

Muster
Gaspreis
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Claus Bößenecker – seine Rolle wird auch im Film Wackersdorf dargestellt – war als juristischer Staatsbeamter Leiter der Abteilung für Bau- und Umweltrecht im Landratsamt Schwandorf. In der Familie gab es eine eindeutige Ablehnung der WAA. Helga Bößenecker, die die Film-Matinee ebenfalls besuchte, war damals Schriftführerin der BI gegen die WAA. Claus Bößenecker mußte den Bebauungsplan formal bearbeiten. Die Zweifel, die er an der Rechtmäßigkeit der atomrechtlichen Auswirkungen geäußert hatte, waren für das Bundesverwaltungsgericht später ein Grund für die Aufhebung des Bebauungsplans.

Auch wenn – geschuldet dem Format Spielfilm – nicht alles so stattgefunden hat, wie es der Film suggeriert, sind für Claus Bößenecker wichtige Elemente dargestellt, die es zu erinnern gilt: die eingestreuten Originalaufnahmen von Bauarbeiten, Demonstrationen am Bauzaun und massiven Polizeieinsätzen gegen friedliche DemonstrantInnen, die oft mit ihren Kindern unterwegs waren, der Einsatz von CS und CN Gas. „Je brutaler die Polizei vorgegangen ist, umso mehr Unterstützung hat die BI in der Bevölkerung bekommen.“ Bößeneckers Idee war das „ Marterl“ – unter Einhaltung bestimmter Maße ist dessen Errichtung nicht genehmigungspflichtig, und Andachten müssen nicht angemeldet werden. So hat sich die BI regelmäßig zu Andachten versammelt – anschliessend haben die TeilnehmerInnen auf dem Nachhause-Weg den Bauzaun umrundet.

In der Einschätzung, dass die eingereichten Unterlagen zum Bau der WAA – Bauherr war übrigens die „ Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen“ (DWK) –  juristisch nicht haltbar sind, war sich Claus Bößenecker mit dem Würzburger Rechtsanwalt Wolfgang Baumann einig. Wolfgang Baumann hat damals WAA-Gegner, die gegen deren Bau geklagt hatten, erfolgreich vor Gericht vertreten. „ Die DWK wollte eine Anlage genehmigt bekommen, von der man noch gar nicht wusste, wie sie technisch aussehen soll.“ Viele Teilgenehmigungen seien beantragt worden – für eine letztlich riesige Atomanlage. Wichtig für den juristischen Erfolg war, dass sich bundesweit Wissenschaftler zur Verfügung gestellt und zugearbeitet haben.

Baumann und Bößenecker erinnern an die Erörterungstermine: zum ersten, 1984, waren rund 50.000 Einwendungen eingegangen, zum zweiten, der im Sommer 1988 in Neunburg vorm Wald startete, kamen 881.000 zusammen. Dieser wurde nach fünf Wochen abgebrochen. Das Ende für die WAA wurde schliesslich am 31.Mai 1989 verkündet.

RA Baumann sieht Parallelen zu anderen Großbau-Projekten, zum Beispiel die geplanten Stromtrassen und empfiehlt der Bevölkerung, genau zu hinterfragen, ob diese tatsächlich nötig und sinnvoll sind – und wem sie im Endeffekt dienen können. Er beruft sich auf eine Szene des Films, die symbolisch deutlich macht, dass es wichtig ist, auf die KommunalpolitikerInnen zuzugehen, um diese für den Widerstand „mit ins Boot zu holen“.

Babs Günther verweist auf die erschreckende Ähnlichkeit von Bildern im Film mit denen, die 2018 bei Räumungsarbeiten im „Hambacher Forst“ entstanden sind. Sie bittet und ermutigt die TeilnehmerInnen der Film-Matinee, weiterhin atomkritisch und wachsam zu sein; das SWAB fordere für den AKW-Rückbau in Grafenrheinfeld und die Lagerung bzw. „Freigabe“ von Atommüll ein Mehr an Sicherheit!
Edo Günther (BN) erläutert, dass beim Atom-Thema mittlerweile verschiedene Bundesgesellschaften für Entsorgung, Lagerung und Überwachung zuständig seien – der Staat überwache sich letztlich selbst.

Es herrscht Übereinstimmung, dass der Film „Wackersdorf“ ein beeindruckendes Plädoyer für Bürgerschaftliches Engagement darstellt – und dass Atomenergie nicht zu verantworten ist.



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