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„Lieber Unternehmenskultur statt Großmannssucht“ – der 1.Bevollmächtigte der IG-Metall Peter Kippes über die Wachstumspläne von ZF Friedrichshafen und den Schaeffler-Conti-Deal

Keiler Helles

SCHWEINFURT – Im ersten Teil des Gespräches mit dem 1. Bevollmächtigten der IG-Metall Peter Kippes ging es um die Expansionspläne der ZF Friedrichshafen AG in Richtung Asien. ZF will bis 2025 seinen Umsatz verdoppeln.  

InundumSw.de: Herr Kippes, vorab. Welche Partei sollen die Gewerkschaftler bei dieser Bundestagswahl wählen?
Peter Kippes: Unsere Mitglieder sind selbstverständlich autonom, jeder soll die Partei wählen, bei der er die größten Übereinstimmungen sieht. Ich vertrete die Interessen der Beschäftigten und der Gewerkschaft gegenüber jedem, der regiert. Wer das ist, ist dabei nicht von meiner persönlichen Präferenz abhängig. Ich bin selbst in keiner Partei aktiv, meine politische Heimat sind die Interessen der Beschäftigten. An dieser Stelle unterscheide ich mich von meinem Vorgänger Klaus Ernst, der ja für die Linkspartei in den Bundestag eingezogen ist.

InundumSw.de: Was sind denn die Wünsche, die die Gewerkschaft an die Politik stellt?
Kippes: Wir wollen flexible Ausstiegsmöglichkeiten, was das Renteneintrittsalter angeht. Dieses Thema brennt den Leuten unter den Nägeln. Wir fordern einen Mindestlohn, auch wenn die Stundenlöhne unserer Mitglieder hier in Schweinfurt von den 8,50 Euro glücklicherweise weit entfernt sind. Wir wollen außerdem, dass nicht durch Werkverträge die bei der Leiharbeit eingetretenen tariflichen Verbesserungen verwässert werden.

InundumSW.de: Im ersten Teil dieser Serie haben sie sich als scharfer Kritiker der Wachstumspläne von der ZF Friedrichshafen AG nach Asien präsentiert. Ist es nicht eine Chance, deutsches Knowhow und deutsche Standards nach Fernost zu bringen?
Kippes: Ich glaube nicht, dass man ernsthaft unsere Sozial- und Umweltstandorts in den asiatischen Ländern implementieren kann. ZF wird sich an die ortsüblichen Zustände anpassen und viele Standards verwässern. Ich glaube den vollmundigen Versprechen von Wirtschaftsfunktionären nicht, da werden Krokodilstränen geweint. Schauen Sie doch gerade nach Nordamerika, wo ZF gerade im Bundesstaat South Carolina ein neues Getriebewerk eingeweiht hat. Die dortige Gouverneurin Nikki Haley hat in ihrer Festrede ganz stolz herausgestellt, dass es in ihrem Bundesstaat kaum gewerkschaftliche Aktivitäten gäbe. Da habe ich keinen Protest von Herrn Dr. Sommer gehört oder gelesen.
Und im Hinblick auf das Engagement in Richtung Asien stelle ich weiter die Frage: Ist es akzeptabel in einen politischen Raum, ohne demokratische Strukturen zu investieren?                                                                                                                                   Die Unternehmenskultur wird auch weiter strapaziert. Die Kommunikation zwischen Schweinfurt und Friedrichshafen ist ja heute oft schon sehr schwierig. Und stellen Sie sich mal vor, wenn Fabriken in 12.000 Kilometer Entfernung geplant, gebaut und betrieben werden sollen? Ich fürchte, dass ZF seinen Stiftungscharakter mehr und mehr aufgeben muss.
Vielleicht sehen wir zunehmend Joint-Venture-Partner (Anm. der Redaktion: Das sind unternehmerische Kooperationspartner) als „Lösung“ der Finanzierungsproblematik. Dann ist ZF gar nicht mehr alleiniger Herr des Geschehens.
Schauen Sie auf den Schaeffler-Conti-Deal, welchen Ankündigungen wurden gemacht und wie sieht die Wirklichkeit 2013 aus? Ich bin von Haus aus skeptisch, wenn zu große Entscheidungen nur durch ganz wenige Menschen beeinflussbar sind. Negative Konsequenzen von Fehlern werden dann in der Regel bei der Mehrheit abgeladen, die nichts mit zu entscheiden hatte.

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InundumSw.de: Sie haben das Stichwort Schaeffler genannt. Wie geht es mit dem 76000 Mitarbeiter zählenden Unternehmen, von denen 6000 in Schweinfurt beschäftigt sind, weiter?
Kippes: Schaeffler muss aus meiner Sicht schnellstens versuchen. neue Investoren zu finden. Schaeffler ist operativ eigentlich ein ertragsstarkes Unternehmen und hat in den letzten Jahren mit einer Umsatzrendite von rund 14 / 15 Prozent sehr gute Zahlen erwirtschaftet. Nur mit der Übernahme von Conti hat sich Frau Schaeffler dann aber beinahe tödlich verhoben. Eine vergleichbare Situation gab es 1993 schon mal…

InundumSw.de: Und dann gibt es noch das Sorgenkind Maincor Gruppe.
Kippes: Es wird nach meiner Einschätzung dazu kommen müssen, die verflochtene Unternehmensgruppe aufzudröseln. Inhaber Dieter Pfister hat letzten Endes zu viel und zu schnell zugekauft ohne die nötigen Eigenmittel zu bilden.
Bereiche, wie Maintools, die frühere Firma Weißenburg in Mellrichstadt mit ihren 88 Beschäftigten sind gut aufgestellt und haben ein gutes Auftragspolster. In andere Teile hat Inhaber Dieter Pfister zu wenig technologisch investiert und nur auf den billigen Preis, statt auf Innovationen gesetzt. Pfister hätte sich früher unser Motto „Besser statt Billiger“ zum Leitbild nehmen sollen. Betriebsräte und Tarifverträge sind Qualitätsmerkmale und nicht Umsatzschädigend.
Weil die Eigenkapitalquote zu niedrig war, haben die Banken irgendwann die Reißleine gezogen. Damit war das Schicksal der Maincor Gruppe vorerst besiegelt. Wie Pfister vor dem Hintergrund seines wirtschaftlichen Scheiterns noch sein Amt als Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer behalten will, erschließt sich mir nicht.

Lesen Sie in Teil 3 dieser Serie: IG-Metall-Bevollmächtigter Peter Kippes über sich, den Zustand der IG Metall in Schweinfurt und die weiteren Pläne seiner Gewerkschaft.

Peter Kippes sagt: „Ich liebe Schweinfurt…, Ich liebe Schweinfurt weil,… es eine überschaubare Kommune ist, die alle Eigenschaften einer Stadt aufweist.“

Christopher Richter für inundumsw.de

(In dieser Serie haben wir bereits den Rechtsanwalt Peter Hofmann und die Kreishandwerksmeisterin Margit Rosentritt vorgestellt. Es folgen nach und nach immer wieder weitere Persönlichkeiten aus Stadt und Landkreis Schweinfurt. Wer Anregungen für uns hat, mailt bitte an redaktion@inundumsw.de)



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