Atommüll, Nein Danke!: Vereinter Protest gegen geplante Transporte nach Grafenrheinfeld
GRAFENRHEINFELD – Die vom Kraftwerksbetreiber Preussen Elektra angekündigten Atommülltransporte aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Würgassen nach Grafenrheinfeld haben zu einem bisher einmaligen Schulterschluss aller in der Schweinfurter Region zum Teil seit Jahrzehnten gegen die Atomkraft positionierten Organisationen und Parteien geführt.
Wegen der für Anfang 2023 erwarteten ersten Transporte aus Nordrhein-Westfalen nach Unterfranken enthüllten 30 Vertreter vom Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft, von der BA-BI, der Bürgeraktion Müll und Umwelt, von People 4 Future, vom Bund Naturschutz, von der SPD und den Grünen aus Stadt und Landkreis Schweinfurt am Abzweig zum KKG an der Kreisstraße von Grafenrheinfeld nach Röthlein das erste Banner. Die zwei Kernbotschaften: „Atommüll, Nein Danke“ und „Grafenrheinfeld ist keine Atommüllkippe“.
In den nächsten Tagen werden wie schon im Sommer 2021 weitere Banner von Bündnis 90/Die Grünen an zahlreichen Ausfallstraßen aufgestellt, um auf die zusätzliche Strahlenbelastung vor Ort und die Transportrisiken aufmerksam zu machen. „Wir müssen gesellschaftlichen Druck erzeugen“, sagt der Grüne Landtagsabgeordnete Paul Knoblach am Donnerstag im Schatten der noch stehenden beiden Kühltürme an. Der MdL zeigte sich über die große Zahl an Demonstranten hocherfreut. Er hatte auch den ersten Protest mit den Grafenrheinfelder Grünen organisiert. Weitere gemeinsame Aktionen unter wechselnder Federführung sind in Vorbereitung oder noch in Planung.
Wenn sich Preussen Elektra die Zwischenlagerung von strahlenden Hinterlassenschaften aus anderen eigenen AKW habe genehmigen lassen, habe nicht nur er Zweifel, dass die erste und weitere Atommüll-Anlieferungen nach zehn Jahren wieder abgeholt werden, so Knoblach in seiner kurzen Ansprache. Da die ursprünglich für 2031 geplante Benennung eines Endlager-Standorts nicht klappen wird, sei im Gegenteil zu fürchten, „dass hier in Grafenrheinfeld faktisch ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle entsteht“. Fremden Müll „brauchen wir hier deshalb nicht auch noch“, so der Grüne Abgeordnete.
Am Standort in Grafenrheinfeld gibt es zwei Zwischenlager. Im so genannten BZR lagern die hochradioaktiven Brennstäbe in 54 Castoren. Material von außerhalb darf dorthin nicht gebracht werden, obwohl in der Halle noch Platz wäre. Diese Genehmigung läuft bis 2046, dürfte aber verlängert werden, weil die Endlagersuche wie erwähnt dauert. Das zweite Lager trägt die Bezeichnung AZR. Dort kommt der schwach- und mittelradioaktive Müll aus dem Abbau des AKW Grafenrheinfeld unter. Darin sollen nun aber auch die Behälter aus Würgassen untergebracht werden. Beide Lager betreibt inzwischen die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung BGZ.
Die Risiken, die bei Transport und Einlagerung entstehen würden, haben kürzlich neben den Grünen und SPD vor allem auch der Bund Naturschutz und das Schweinfurter Bündnis gegen Atomkraft scharf kritisiert. Beide wiesen unter anderem darauf hin, dass beim Lager für schwachradioaktive Stoffe eine dreifach höhere Strahlenemission nach außen erlaubt worden sei als beim BZR für hochradioaktive Brennstoffe.
Deutliche Kritik übte Knoblach unter Beifall an der CSU-Landtagskandidatin Martina Gießübel, die laut einer Pressemitteilung die frühzeitigen Proteste von Grünen und der SPD gegen die Atommülltransporte als „verfrühtes Wahlkampfgetöse“ abtat. Eine solche Unterstellung ausgerechnet von einer Vertreterin der Atomkraftpartei CSU könne man nicht ernst nehmen, so Knoblach abschließend.
Zum Thema „Atommüll-Transporte / CSU“ haben Babs Günther, Sprecherin des Schweinfurter Aktionsbündnisses gegen Atomkraft (SWAB) und Edo Günther, BUND Kreisgruppe Schweinfurt, 1. Vorsitzender auch eine Meinung:
„Die Haltung der CSU zu den geplanten Atommüll-Transporten nach Grafenrheinfeld überrascht: vielen MandatsträgerInnen der Partei reichen die bisherigen Laufzeitverlängerungen der drei noch in Betrieb befindlichen bundesdeutschen AKW bis zum nächsten Frühjahr nicht aus, sie fordern – wie zum Beispiel die Bundestagsabgeordnete Dr. Anja Weisgerber stattdessen den Neueinstieg in die Nutzung von atomar erzeugtem Strom – doch der Atommüll-Transport wird abgelehnt.
Wenn Martina Gießübel, stellvertetende CSU-Fraktionschefin im Kreistag, gar zu der Erkenntnis gelangt, dass die gesamte Region „….durch das AKW …stark belastet sei…“, dann ist das eine überraschend realistische Einschätzung der Situation. Mit der Forderung nach weiterer Atomstrom-Erzeugung lässt sich diese nicht vereinbaren.
Der geplante Atommüll-Tourismus ist eindeutig abzulehnen – Atommüll ist radioaktiv belastet, die Transporte bergen ein erhöhtes Risiko für Unfälle und stehen im Widerspruch zum Gebot der Strahlenminimierung!
Das hat generelle Gültigkeit für die Bevölkerung – der eilfertige Hinweis von Fraktionssprecherin Jakob auf „andere“ mögliche Lagerstätten der BGZ (außer Grafenrheinfeld) klingt leider etwas nach dem St.-Florians-Prinzip.
Frau Gießübel wirft den Kolleginnen und Kollegen anderer Parteien, die die geplanten Transporte ablehnen, „Scheinheiligkeit“ vor – obwohl sich sich selbst dagegen ausspricht? Wie widersprüchlich! Erklären lässt es sich möglicherweise mit dem „Wahlkampfgetöse“, dem Begriff, der von der CSU in Zusammenhang mit den Atommüll-Transporten nun geprägt wurde.
Das Thema Atommüll und der dadurch verursachten, zusätzlichen radioaktiven Strahlung ist ernst und erfordert einen sachlichen und gut fundierten fachlichen Umgang. „Getöse“ sollte dabei vermieden werden!“
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