NA OHNE Kategoriezuordnung

„Dann schaffen wir uns selber ab!“ Wieso vier Schweinfurter Stadträte die neue Geschäftsordnung mit mehr Macht für die CSU ablehnen!

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SCHWEINFURT – Etwas ist faul im Staate Dänemark! Na, gut, das mag dem Schweinfurter eigentlich relativ egal sein, wenn dem so sei. Doch offensichtlich ist auch in Schweinfurt gerade mal wieder ein bisschen was „faul“. Und zwar im Stadtrat. Der schneidert sich gerade eine neue Geschäftsordnung zurecht. Am Dienstag, den 23. März, wird am Nachmittag bei der Sitzung im Konferenzzentrum unter Tagesordnungspunkt 15 darüber abgestimmt.

In der Beschlussvorlage heißt es:

Die geltende Geschäftsordnung des Stadtrats Schweinfurt wurde in der Vergangenheit stetig fortgeschrieben und nunmehr in Anlehnung an die Mustergeschäftsordnung des Bayerischen Gemeindetages vollkommen neu erstellt. Insbesondere wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass – im Zusammenspiel mit der ebenfalls neu überarbeiteten Vergaberichtlinie – die Wertgrenzen und damit ein hergehend die Zuständigkeiten angepasst wurden.

Dies hat zur Folge, dass sich die Verantwortlichkeiten in Teilen stärker auf den Oberbürgermeister, mithin die Verwaltung, verlagert haben, was spiegelbildlich eine Entlastung der jeweiligen Gremien bedeutet. Durch die Anpassung der Verfügungsbefugnisse der Höhe nach können zukünftig Entscheidungen zudem schneller getroffen werden.

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Mit den Fraktionsvorsitzenden wurde der Entwurf in mehreren Besprechungsterminen erörtert und nach deren Vorgaben entsprechend angepasst. Insbesondere zu folgenden Bereichen wurden Änderungen gegenüber der bisherigen Fassung vorgenommen:

– Einführung des digitalen Sitzungsdienstes, § 23 n.F.
Die Umstellungen führt neben Vereinfachungen und Beschleunigungen im Verwaltungsablauf auch zu umfangreichen Einsparungen beim Papierverbrauch dadurch, dass Sitzungsunterlagen in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden. Zudem wird auch die Möglichkeit eröffnet, die Tagesordnung elektronisch zu versenden.

– Erweiterter Zuständigkeitsbereich des Haupt- und Finanzausschusses, § 10 Nr. 2 c) aa) n.F. bzw. des Oberbürgermeisters in Personalangelegenheiten, § 13 Abs. 1 Nr. 5 n.F.
Zur Beschleunigung von Verfahrensabläufen wurden die Zuständigkeiten des Haupt und Finanzausschusses bzw. des Oberbürgermeisters dahingehend angepasst, dass bei der Ernennung, Beförderung und der Beendigung von Dienstverhältnissen von Beamten und den mit der entsprechenden Besoldung vergleichbaren Tarifangestellten der Stadtrat erst ab der Besoldungsgruppe A 14 bzw. der vergleichbaren tarifrechtlichen Eingruppierung zuständig ist. Hiervon ausgenommen ist die Ernennung, Beförderung etc. von Amts-, Einrichtungs-, Werk- oder Heimleitern.

– Konkretisierung der Zuständigkeit sowie Änderung der Zusammensetzung des Ferienausschusses, § 10 Nr. 11 b) bzw. c) n.F.
Pandemiebedingt hat sich gezeigt, dass der Ferienausschuss als Notausschuss auch außerhalb der Ferienzeit tagen muss. Daher war es angezeigt, eine Regelung zu treffen, dass für die Beschlussfassungen über Haushaltssatzungen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Ferienausschusses fällt. Auf Wunsch der Fraktionsvorsitzenden werden zukünftig die Aufgaben des Ferienausschusses durch den Haupt- und Finanzausschuss wahrgenommen. Die Verwaltung weist darauf hin, dass es aufgrund einer eingebrachten Gesetzesinitiative zur Änderung der Gemeindeordnung zu umfangreichen Änderungen hinsichtlich der Zusammensetzung und des Aufgabenbereichs von Ferienausschüssen kommen kann.

Ebenfalls Teil der Initiative ist es, die Durchführung von „Online Sitzungen“ durch Ton-BildÜbertragungen von Ratsmitgliedern zu ermöglichen. Zu beiden Themenbereichen erfolgt derzeit die Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände; wann mit einer Gesetzesfassung zu rechnen ist, kann noch nicht gesagt werden.

Da derzeit noch keine Einigkeit hinsichtlich der Gesetzesformulierung erzielt werden konnte, rät die Verwaltung den Abschluss des Verfahrens abzuwarten und ggf. eine zeitnahe Anpassung der Geschäftsordnung durchzuführen.

Frank Firsching und Sinan Öztürk

Soweit die Beschlussvorlage, die natürlich mit dem Beschlussvorschlag endet, der Stadtrat möge die Geschäftsordnung in der vorgelegten Fassung beschließen, die dann mit Wirkung vom 01.04.2021 in Kraft treten würde. Im Haupt- und Finanzausschuss war das unter dieser Woche bereits ein Thema. Nur FDP-Mann Georg Wiederer und der Linke Frank Firsching stimmten – natürlich im kleinen Rahmen – dagegen.

Nun aber macht die Fraktion der Linken zusammen mit Dr. Ulrike Schneider von der Initiative Zukunft./ÖPD mobil. Und erklärte den Medien, was eine neue Geschäftsordnung für den Stadtrat und seine 44 gewählten Mitarbeiter bedeuten würde. Firsching befürchtet, dass damit „Spezl- und Vetternwirtschaft“ möglich wäre, dass sie Transparenz und demokratische Kontrolle verhindert würde.

Konkret: Oberbürgermeister Sebastian Remelé und seine Verwaltung bekämen weitaus mehr Kompetenzen, „und der Stadtrat würde sich selbst kastrieren und die Türe öffnen für Entscheidungen im Hinterzimmer, wenn er da zustimmt“, sagt Firsching.

Noch konkreter: Der Wertegrenzen, wonach der OB Entscheidungen treffen könne, ohne den Stadtrat fragen zu müssen, würden sich drastisch nach oben verschieben. Bei über- und außerplanmäßigen Ausgaben von jetzt 10.000 und 50.000 Euro auf künftig 100.000 und 50.000 Euro – jeweils das Zehnfache! Bei Aufträgen an Firmen von 100.00 auf 150.000 Euro. Beim Stunden städtischer Forderungen von 50.000 auf 150.000 Euro. Und so weiter. „Das führt zur Intransparenz. Die CSU ist ja momentan überall in den Schlagzeilen, das zeigt ja, was da möglich ist“, so Firsching.

Ulrike Schneider ist „nicht bereit, noch mehr Befugnisse in die Hände des OB“ zu legen, „da sie dort ja nicht in guten Händen sind. Beispielsweise könnten auch Baumaßnahmen unter 100 qm ohne Stadtrat künftig abgesegnet werden. So wäre es möglich gewesen, den geplanten Anbau der Studentenverbindung Moeno an der Stadtmauer hinter dem Rückert-Center nun einfach zu genehmigen ohne Diskussion zuvor. „Der wäre so in seiner hässlichen Form schon längst gebaut“, weiß Schneider, die auch fordert, Stadtratssitzungen aufzuzeichnen und in einem Livestream zu übertragen, „damit die Öffentlichkeit mitbekommt, wie solche Sitzungen ablaufen“. Das könnte die Politikverdrossenheit minimieren, „denn so, wie es bisher ist, bleibt vieles unter der Decke“. Aktuell würden die älteren Besucher der Sitzungen wegen der schlechten Akustik nichts hören und ohnehin nichts sehen angesichts der Örtlichkeit im Rathaus. Der letzte Antrag dazu wurde angelehnt mit dem Hinweis: „Damit outen wir diejenigen Stadträte, die nicht reden können!“

Andrea C. Greber und Dr. Ulrike Schneider

Andrea C. Greber, Stadträtin der Linken, ergänzt diesbezüglich, dass man in den sozialen Medien immer Nachfragen lesen würde wie „Was machen die da im Stadtrat?“, dass aber seitens der Stadtverwaltung nie etwas an die Öffentlichkeit kommt, keine Meldungen, nicht mal Abstimmungsergebnisse. Pro aktiv müsse die Stadt zur Transparenz und Glaubwürdigkeit dieses Parlaments etwas leisten, stets zeitnah. Selbst für Stadträte wären Informationen immer erst nach sechs Wochen abrufbar. Ihr Fraktionskollege Sinan Öztürk weiß, dass in der Pandemie-Zeit die älteren Zuhörer im Rathaus nicht mehr kommen würden. Und Greber erinnerte an ohnehin fehlende Barrierefreiheit.

Öztürk spricht von einer „Selbstentmachtung des Stadtrates“, wenn die neue Geschäftsordnung durchgewunken wird. Die sieht vor, dass künftig auch berufsmäßige Stadträte, also die Referenten, die bekanntlich überwiegend ein CSU-Parteibuch besitzen, in die Aufsichtsräte der städtischen Töchter wie Stadtwerke, SWG oder Leopoldina rein delegiert werden können. Da fällt dann der Platz der vom Bürger gewählten Stadträte weg und deren Mitbestimmung. Und auch der Ältestenausschuss, den der OB zu wichtigen Themen einlädt und für Vorabinfos, könne künftig im Vorfeld von Stadtratssitzungen Beschlüsse fassen.Ältestenausschuss: In dem sitzen drei CSU´ler und mit Dr. Reginhard von Hirschhausen ein stets loyal mit der CSU stimmender Grüner…

Dann das: Laut neuer Geschäftsordnung könne der OB Zuschüsse an Vereine bis 20.000 Euro verteilen und auch städtische Räume unentgeltlich zur Verfügung stellen. „Wir wollen es aber wissen, wenn die CSU ihren Landesparteitag im Konferenzzentrum veranstaltet, ohne dafür Geld zu zahlen“, sagt Öztürk und nennt ESKAGE oder Disharmonie, deren Anträge auf Zuschüsse dann nicht mehr in den Haushaltsberatungen behandelt werden würden. „Mit Zuschüssen für die ´schwarze´ Vereine wie TG 48 oder DJK könnte man ja auch Wählerstimmen einfangen. So geht es nicht“, sagt Schneider vehement.

Schon zu Zeiten der Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser, als die Linken frisch in den Stadtrat gewählt waren, wurden mal die Wertegrenzen für das Stadtoberhaupt erhöht. Grieser konnte damals auch weiter greifende Entscheidungen alle treffen, aber immer zur Kenntnis des Stadtrates. Das würde diesmal wegfallen.

Während der Pandemie-Krise fiel die Entscheidung, den Schweinfurter Vereinen 20 Prozent ihrer Zuschüsse zu kürzen. „Und nun könnte Remelé auf CSU-nahe Vereine zugehen und ihnen 20.000 Euro geben. Es ist ein Skandal, wenn man so einem Passus zustimmt“, wird Frank Firsching deutlich. Und künftig können auch CSU und Grüne dank ihrer Zusammenarbeit einen jeden Antrag auf eine dokumentierte namentlich Abstimmung im Stadtrat verhindern. Damit der Bürger nicht erfährt, wer sich für was einsetzt oder eben nicht.

Mit der Aktion, einem Pressegespräch auf dem Zeughausplatz bei klirrender Kälte, erhoffen sich die vier Stadträte mit dieser Information für die Öffentlichkeit ein Umdenken bei ihren Ratskollegen. „Sonst schaffen wir uns ohne Not selber ab“, weiß Firsching. Und verweist darauf, dass OB Remelé und seine Finanzreferentin und Pressesprecherin Dr. Anna Barbara Keck davon sprechen, sie würden eine bayerische „Mustersatzung“ umsetzen wollen. „Ein Maßanzug passt aber immer besser als einer von der Stange. Und wir wollen für die Stadt Schweinfurt einen Maßanzug!“



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