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„Die Welt ändert sich und wir dürfen da nicht zurückfallen!“: Teil 2 des Interviews mit Dr. Bernd Weiß

Keiler Helles

SCHWEINFURT – Dr. Bernd Weiß ist Notar und ehemaliger Landtagsabgeordneter, der für den Stadtrat und das Europaparlament kandidiert. In unserer dreiteiligen Interviewreihe soll es diesmal über seine Zeit als Landtagsabgeordneter, seinen Rücktritt und seine Jugend gehen.

Inundumsw.de: Schmerzt Sie Ihr Rücktritt noch?
Dr. Bernd Weiß: Im Rückblick frage ich mich manchmal, ob ich um das Landtagsmandat länger hätte kämpfen sollen. Meinen Rückzug aus dem Kabinett habe ich aber gut verdaut, mein Buch „Frage Dich, was Dein Land für Dich tun kann“ hat viel zu diesem Prozess beigetragen. Ich habe es Horst Seehofer mit einer persönlichen Widmung zugesandt und wir haben uns ausgesprochen. Ich bin mit meiner Partei im Reinen. Meine Kritik ging auch nicht Weiss Bernd 7explizit nur an Horst Seehofer, sondern an einen um sich greifenden Regierungsstil, der vermeidet, den Menschen zu sagen, dass sie auch mal eine Kröte schlucken müssen. Wer die Energiewende will, der kann nicht sagen, er möchte nicht auf die Masten sehen. Wer im Ausland weiter mit dem Euro zahlen will, der darf nicht zugleich gegen ihn wettern. Es allen Menschen recht zu machen ist eine Kunst, die niemand kann. Und wir stehen vor großen Herausforderungen. Stichworte: Demographie, Energiewende, Staatsverschuldung. Unter dem Schlagwort „Mitmachpartei“ setzt sich eine Linie durch, die den Menschen nur nach dem Mund reden will. Das ist aber kein politisches Führungsverhalten.

Inundumsw.de: Werden zu viele Steuergelder für Politiker ausgegeben?
Weiß: Ich würde jedenfalls einen anderen Schwerpunkt setzen als ständig die Diäten saftig zu erhöhen! Aufgrund meiner Erfahrungen bin ich, auch wenn dies nicht populär ist, der Auffassung, dass die sogenannte Ausstattung für Abgeordnete erhöht werden müsste. Das bedeutet mehr freie Mittel für wissenschaftliche Mitarbeiter und für die Weiss Bernd 2Büroausstattung. Momentan kommen nahezu alle Gesetzesinitiativen aus der Exekutive, weil es finanziell und wegen der beschränkten „man-power“ der Parlamentarier gar nicht mehr anders geht. Die Arbeit ist für die Abgeordneten in diesem Punkt schwierig geworden, was keine gute Entwicklung ist.
Nicht nur an den Stammtischen wird gerne  über die Auslandsreisen der Parlamentarier gelästert. Zu Unrecht. Im heutigen globalisierten Wettbewerb ist es unabdingbar, dass die Volksvertreter auch sehen, was in anderen Ländern passiert und es nicht nur aus der Zeitung lesen. Die Welt wird kleiner und wir schrumpfen als Nation. Diese Reisen sind kein Urlaub, sondern haben ein enggestecktes Programm, weil man mit NGOs, Regierungsvertretern und Wirtschaftsfachleuten zusammentrifft. In Südafrika etwa, das wie ein Tor zum gesamten afrikanischen Kontinent ist, konnten ich im Jahr 2010 hautnah erleben, wie die Chinesen massiv Rohstofflagerstätten und die Brasilianer fruchtbares Ackerland zukaufen. Die Welt ändert sich und wir dürfen da nicht zurückfallen, indem wir uns zuhause einigeln. Es gab für mich als Staatssekretär die Möglichkeit, alle Regionen unseres Freistaates zu besuchen und fast alle deutschen Bundesländern. Neben harter Arbeit in der Verwaltung konnte ich die meisten unser bayerischen Partnerregionen besuchen, was nicht nur meinen Horizont enorm geweitet hat. Bayern pflegt zukunftsweisende Partnerschaften mit Landesregionen, die genauso unverwechselbare sind, wie der Freistaat: Etwa Kalifornien, Québec in Kanada, Schottland, Gauteng und Westkap in Südafrika, Karnataka in Indien oder Shandong in China.

Inundumsw.de: Herr Weiß, Sie sagen oft, Sie stammen aus kleinen Verhältnissen. Sagen das nicht viele Politiker von sich, wenn Sie gewählt werden wollen?
Weiß: Das ist richtig, bei mir stimmt es aber. Ich bin 1968 als Kind der Nachkriegsgeneration in Bahra bei Mellrichstadt geboren. Mein Vater war Kriegsversehrter, schwer verwundet worden und hat dann mit 40 Jahren im Jahre 1967 für die damalige Zeit ungewöhnlich spät geheiratet.  Meine Eltern hatten eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft von 8 ha mit ein paar Schweinen. Mein Bruder und ich mussten von Anfang an mithelfen, beim Versorgen der Tiere, Ställe ausmisten, beim Ernten. Meine Eltern hatten uns aber trotz der engen Weiss Bernd 1finanziellen Mittel die Möglichkeit gegeben, das Gymnasium zu besuchen. Probleme mit den Noten hatten wir nie, darum brauchen wir auch nicht bange sein vor der Universität. Ich habe mir damals mein Studium selber finanziert und am Wochenende bei einer Lokalzeitung acht Jahre lang als Journalist gearbeitet und Berichte geschrieben, angefangen von den sprichwörtlichen Treffen der Karnickelzüchtervereine über Gemeinderats- und Kreistagssitzungen bis hin zu lokalen und regionalen Festen. Das war eine interessante Zeit und man lernt neben einer prägnanten und interessanten Sprache als Journalist viele Menschen kennen. Das habe ich acht Jahre lang gemacht, bis ich dann berufsmäßig Notarassessor geworden bin.

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Inundumsw.de: Sie stammen aus einer politisch interessierten Familie.
Weiß: Da kann man so sagen. Von der mütterlichen Seite her kamen immer die Dorfbürgermeister aus Bahra. Bis auf eine kurze Periode während der Nazidiktatur, als mein Urgroßvater von den Nationalsozialisten des Amtes enthoben wurde, weil er sich weigerte, unter dem Vorwand gesundheitlicher Gründe zurückzutreten. Meine Vorfahren waren konservative und christlich geprägte Leute, die mit der Ideologie der Nazis nichts anfangen konnten. Ich denke, ihr Widerstand hatte mit sehr viel praktischem Menschverstand zu tun. Es war dann auch meine Großmutter, Jahrgang 1907, die mein politisches und geschichtliches Interesse geweckt hatte. Ich habe ihr wahnsinnig gerne zugehört, wenn sie aus ihrem reichem Erfahrungsschatz berichtet hatte, von der Kaiserzeit über ihre Erlebnisse während der beiden Weltkriege bis hin zur Mondlandung, die sie im Fernsehen mitangesehen hatte. Selbst die Anfänge des IT-Zeitalters hat sie noch bewusst miterlebt. Schon unglaublich, was in so eine Lebensspanne paßt.

Christopher Richter für inundumsw.de

Lesen Sie im letzte Teil dieser Serie: Warum Dr. Bernd Weiß sich die „Vereinigten Staaten von Europa“ wünscht, warum er eine andere Meinung in der Zuwanderungsdebatte als die CSU hat und was er über die Finanzmarktkrise und ihre Folgen denkt.

Dr. Bernd Weiß: Ich liebe Schweinfurt, weil… ich hier die perfekte Balance aus heimatlicher Geborgenheit und Weltläufigkeit finde.



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