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Kein Sauerstoff beim Bergsteigen und massive Schleifspuren im Zahlenwerk: Warum bei den Mighty Dogs der Verstand das Herz schlug und die Oberliga Vergangenheit ist

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SCHWEINFURT – Dass die Entscheidung ausgerechnet am Tag der Deutschen Meisterschaft für den ERC Ingolstadt verkündet wurde, passte irgendwie. Die Oberbayern hat man vor knapp mehr als 20 Jahren im ERV-Eisstadion noch schlagen können. Seitdem aber hat sich das Eishockey hier wie da völlig unterschiedlich entwickelt. In Ingolstadt stieg Saturn als Sponsor ein, der Aufschwung begann. In Schweinfurt entschieden sich die jetzigen Mighty Dogs mal wieder für einen Neuanfang ganz unten.

Ganz unglücklich wirkten Vorstandsmitglied Stefan Graf und der seinen Rücktritt als sportlicher Leiter erklärende Steffen Reiser nicht unbedingt, als sie am Dienstagabend den Medien den Entschluss mitteilten. Schon am Montag wurden DEB und BEV informiert, die Verbände also, danach der EV Weiden, der damit in der Oberliga bleiben darf, schließlich die Mannschaft und abschließend das Organisationsteam. „Die Vernunft hat gesiegt. Das, was wir für die Oberliga auf die Beine hätten stellen müssen, war nicht realisierbar“, sagt Reiser nach einem Treffen mit den treuen Sponsoren letzten Freitag. Eine hochseriöse GmbH mit Reiser als Geschäftsführer war eigentlich das Ziel. Doch einstimmig wurde beschlossen, dass dies ein zu großes Wagnis wäre. „Für die 3. Liga im Eishockey braucht man ungefähr 270.000 Euro an Einlagen. Alleine mit kleinen und mittleren Sponsoren aber ist das nicht machbar. Das ist wie beim Bergsteigen: Irgendwann braucht man Sauerstoff, sonst wird´s schwierig“, weiß Reiser, der sich ausdrücklich bei den vielen treuen Partnern bedankte. „Alleine die haben uns die letzten Jahre über Wasser gehalten. Schade, dass uns außer SKF niemand von der Großindustrie unterstützt. Wir sind sie alle angegangen.“

„Brutalst weh für die 500 Treuen“ tut Reiser die Entscheidung und er meint damit die Zuschauer. Deren Zahlen, die Entwicklung in den letzten Jahren, sorgten laut Stefan Graf für „massive Schleifspuren“ und letztlich für das Oberliga-Aus. Nach rund 900 Fans im Schnitt im Bayernliga-Meisterjahr waren es keine 600 mehr in der Oberliga-Saison eins – bei einer Kalkulation von 750. Also plante man letzte Saison mit 650, es kamen aber exakt 477 im Schnitt an die Abendkasse in der Hauptrunde. 173 weniger als geplant, was bei einer Mischkalkulation von 6,90 Euro an Eintrittspreis bei 3800 fehlenden Zuschauern ein Loch von 26.000 Euro netto bedeutete. Dazu kam ein Trainerwechsel, der Geld kostete. Weil der Verein für seine 550 Mitglieder in der Verantwortung steht, war frühzeitig schon klar, dass es unter diesen Umständen keine Oberliga mehr für zumindest den Verein geben würde.

Mighty Dogs schlagen Regensburg 14 02Die Vorwürfe gehen in Richtung der potenziellen Fans, die zuhause blieben. Ein konkretes Beispiel: „Wir haben Frankfurt und Hannover geschlagen, in der Vorbereitung gutes Eishockey gezeigt, gewinnen dann zum Auftakt in Erding. Trotzdem kommen gegen Bayreuth nur 880 Zuschauer. Wir gewinnen auch da – aber zum nächsten Spiel gegen Regensburg kommen nur 540 Leute. Nach diesem Start. Also kamen wir zu Beginn der Saison schon ins Grübeln“, sagt Stefan Graf. Bei den Planungen der Ausgliederung als GmbH sei man dann zu zwei Dritteln schon soweit gewesen, dass das Geld beisammen war. „Das alles ist dann aber wie ein Kartenhaus zusammen gefallen“, drückt es der 2. Vorstand aus. Das ERV-Herz wollte weiter Oberliga, das Hirn aber sprach deshalb für den Rückzug.

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„Wir hatten das kleinste Budget der Liga, haben keinen Bundesliga-Nachwuchs wie beispielsweise Klostersee, haben aber zwei Mal den Klassenerhalt geschafft. In Braunschweig würden da alle jubeln“, vergleicht Steffen Reiser mit dem Fußball und gibt zu, dass er als Anhänger des HSV in diesen Tagen ohnehin leidgeprüft ist. Nach seinem sowie geplanten Rücktritt als sportlicher Leiter weiß der Schwenningen-Fan, dass nun ein „Shitstorm“ auf ihn warten dürfte seitens enttäuschter Fans. „Wir sind keine Bier-Buddys, aber freundschaftlich verbunden. Er hat die letzten Jahre weit mehr als das vertraglich Vereinbarte geleistet und stand beispielsweise für lau als Trainer an der Bande. Ich stehe absolut zu ihm und wünsche mir, dass er beim Comeback mitarbeitet“, sagt Stefan Graf in Richtung Steffen Reiser. Der Schwarzwälder, eigentlich nur für die Aquise von Sponsoren zuständig, ist längst in Schweinfurt verwurzelt, half schon mal beim Weg von der Landes- in die Oberliga und weiß auch, dass das Potenzial der Mannschaft letzte Saison eigentlich mehr hätte möglich machen müssen als den nackten sportlichen Überlebenskampf. Reiser will auch künftig den Bereich Marketing abdecken und sich zudem auf die Sponsorensuche für den Nachwuchs begeben.

Steffen Reiser und Stefan Graf NetzWie geht es nun weiter? Die 1b-Mannschaft verpasste als Dritter der Bezirksliga hinter Ingolstadt und Nürnberg die sportliche Qualifikation für die Landesliga. Im schlimmsten Fall droht also in der untersten Spielklasse eine Saison mit nur fünf oder sechs Heimspielen auch gegen die1b-Teams aus Bayreuth und Weiden, gegen die Raven aus Amberg und gegen Würzburg. Das ist die gruselige Variante und klingt wie ein Eishockey-Albtraum. Die Schweinfurter hoffen natürlich, dass der BEV bis Mitte Juni ein mögliches Nachrücken möglich macht in die Landesliga, wo Vereine wie Pegnitz, Passau, die Wild Lions aus Amberg und vor allem die Lokalderbys gegen Haßfurt und Bad Kissingen warten würden. Bei dann wohl elf bis 13 Heimspielen und schönen Auswärtsfahrten.

Der ERV hofft, dass zumindest die sechs Eigengewächse aus der Oberliga, also Simon und Jonas Knaup, Pascal Schäfer, Andi Kleider, Niklas Zimmermann und Michéle Amrhein das Grundgerüst bilden des neuen Teams. Ob Stephen Heckenberger, der bisherige Coach der 1b, als Trainer den Neuaufbau vorantreibt, wird sich die nächsten Tage zeigen. Eugen Pretzer gilt als Kandidat für den Co-Job. Der Großteil der bisherigen Truppe will weiterhin Geld verdienen mit dem Eishockey, ebenfalls Trainer Rob Torgler, der in der unteren Liga nicht finanzierbar ist. Die durch Job und privat an Schweinfurt gebundenen Niko Fissekis (arbeitet beim bisherigen Hauptsponsor Wolf Möbel) und Alex Funk könnten durchaus zum Thema werden im neuen Team. Nicht aber Mikhail Nemirovsky, der im Herbst 40 Jahre alt wird. Obwohl in Schweinfurt verwurzelt und in der Oberliga mit Top-Leistungen aufwartend sagt Steffen Reiser in seiner Funktion als jetzt sportlicher Berater: „Ich weiß nicht, ob sich der Verein einen Gefallen tun würde mit Nemo, der ja zudem ohne Geld nicht spielen würde.“ Die Antwort von Stefan Graf: „Man sollte manchmal auf Berater hören…“

Fix ist zumindest nun schon der erste Abgang der Mighty Dogs: Schahab Aminika schließt sich nach nur einer Saison den in die Oberliga West aufgestiegenen Bären aus Neuwied an. Der Allrounder stammt aus der Kölner Ecke und wechselt somit wieder näher in Richtung seiner Heimat.

„Der Rückzug in die Landesverbände bedeutet nicht, dass der Verein für Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit verschwindet“, sagt Steffen Reiser. Zum vierten Mal schon gehen die Schweinfurter den Weg zurück, behielten und behalten stets ihren Namen ERV und schlitterten noch nie in die Insolvenz. 1986 kam nach dem Rückzug von der Regionalliga ziemlich zeitnah Jamie Fiesel und ein Boom begann. Mitte der 90er dauerte es nicht lange, als nach dem Aus in der drittklassigen 2. Liga der Neuanfang unter Jamie McKinley ein Guter wurde, der mit dem Bau der Halle endete und schließlich wieder in die Oberliga führte. 2005 war da dann Schluss und unter Sergej Waßmiller machte die schnelle Rückkehr in die Bayernliga Spaß. Drei Ligen nach unten, so wie heuer denkbar, ging es allerdings noch nie.



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