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„Kinder können ja nichts dazu!“: Das Schweinfurter Modellprojekt ermöglicht jungen Diabeteserkrankten eine besondere Betreuung

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Schweinfurt – Dr. med. Reinhard Koch hat ein Beispiel parat, das natürlich nachdenklich macht. Der Arzt der Kinderklinik des Schweinfurter Leopoldina-Krankenhauses berichtete von einem vierjährigen Kind, das auf der Kippe stand. Diagnose: Diabetes! Nach der Entlassung musste das Elternhaus geschult werden für eine gute Stoffwechseleinstellung und somit einen positiven Krankheitsverlauf. Acht Mal schon war ein Diabetesteam seitdem bei der betroffenen Familie, musste auch Zug um Zug soziale Kompetenzen vermitteln, „beispielsweise Bonbons und Marmelade wegsperren und das Kind im Kindergarten anmelden“, erzählte Dr. Koch bei der Präsentation eines Modellprojektes. Denn diese Betreuung war bislang eine versicherungstechnische Versorgungslücke.

Nun zumindest nicht mehr für die Patienten, die sich für die Gesundheitskasse AOK entschieden haben. Denn die AOK als Kooperationspartner übernimmt die Kosten für eine intensivere, professionelle Betreuung und Unterstützung auch nach oder zwischen den stationären Aufenthalten. „Wir reden von Elternhäusern, die auf fremde Hilfe angewiesen sind. Mit gesundem Menschenverstand weiß man, dass es allen zugute kommt, wenn wir hier ein paar Euro investieren“, sagt AOK-Direktor Frank Dünisch, „wir wollen den Kindern einen guten Start ins Leben ermöglichen“. Dem „nicht abgedeckten Segment, für das niemand versicherungstechnisch zuständig ist“ (Leopoldina-Geschäftsführer Adrian Schmuker) nimmt sich die Gesundheitskasse natürlich auch deshalb an, um ein Voranschreiten der Diabeteserkrankung zu verhindern. Jeder Klinikaufenthalt würde der AOK weitaus mehr Kosten verursachen. „Wenn wir den vermeiden können, dann ist die Maßnahme schon refinanziert“, weiß Dünisch. Zudem ginge es darum, „Lebensqualität und Lebenserwartung zu erhöhen und Spätfolgen zu minimieren“.

„Absolut steigend“ seien die Zahlen bei Diabeteserkrankungen gerade bei den unter Vierjährigen. In Afrika sei ohne Behandlung von einer mittleren Überlebensdauer von drei Jahren auszugehen, weiß Dr. med. Reinhard Koch. Noch nicht genügend erforschte Umweltfaktoren würden die steigenden Zahlen auslösen. 2002 betreute er ambulant gerade mal zwei junge Patienten, 2011 waren es schon 125 pro Quartal. Damit sind die Grenzen der Behandlungsmöglichkeiten längst erreicht. Von 15 betroffenen Familien in der Stadt, 70 im Landkreis Schweinfurt und im Mittelwert jeweils rund 25 in den Landkreisen Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Haßberge, die ebenfalls zum Einzugsgebiet des Leopoldina-Krankenhauses gehören, spricht Norbert Mohr, Vorsitzender der „Selbsthilfegruppe diabetischer Kinder und Jugendlicher“. Hausbesuche in den Familien finanzierte die seit 22 Jahren bestehende Selbsthilfegruppe (seit 1997 als Verein) bislang nach den Möglichkeiten. Und sie macht das auch weiterhin so gut wie möglich, wenn die betroffene Familie nicht bei der AOK versichert ist. „Dass eine Krankenkasse so etwas übernimmt, obwohl sie gar nicht zahlen muss, ist einmalig. Vielleicht aber macht das Modell Schule“, hofft Mohr.

Man spricht von Diabetes Typ 1 bei der Erkrankung. Gefäßschädigend sei das später ohne richtige Blutzuckereinstellung, kann Augen, Nerven oder Nieren nachhaltig angreifen. „Kinder haben noch 70 Jahre an Lebenserwartung vor sich. Wenn sie mit 35 oder 40 erblinden, dann ist das eine ganz andere Tragweite als Diabetes bei älteren Erwachsenen“, weiß Dr. med. Reinhard Koch. Wichtig sei die richtige Einstellung im ersten Jahre nach Erkennung der Krankheit. Was im Krankenhaus geübt wurde, könne man durch das Modellprojekt zuhause festigen. „Nach der Diagnose Diabetes muss man gewisse Regeln einhalten“, sagt der Arzt. Das richtige Spritzen und die richtige Ernährung sei den Familien durch nachhaltige Hausbesuche jedoch eindeutig besser beizubringen. Gerade in „suboptimalen Elternhäusern“, wie Norbert Mohr es nennt. „Denn Kinder können ja nichts dazu!“

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Auf dem Bild bei der Vertragsunterzeichnung – vorne von links: AOK-Direktor Frank Dünisch, Leopoldina-Geschäftsführer Adrian Schmuker, Norbert Mohr, Vorsitzender der Selbsthilfegruppe; dahinter von links: Birgit Hahn und Sabine Kastner vom Leopoldina-Krankenhaus,  Dr. Reinhard Koch sowie Dr. med. Johannes Herrmann, Chefarzt der Kinderklinik.



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