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Rentenkonzepte unter aller Sau, ein Knall, das „Wunder von Würselen“ und die Marsmännchen: DIE LINKE wird am Freitag zehn Jahre alt und hat ihre Wiege in Schweinfurt

SCHWEINFURT – Rückschau mit Resümee, aber auch ein durchaus forscher Blick nach vorne. Das alles bot DIE LINKE, die an diesem Freitag, den 16. Juni, runde zehn Jahre alt wird. Ein Pressegespräch fand nicht ohne Grund im Restaurant Alte Reichsbank in Schweinfurt statt. Denn aus der Stadt stammen gleich zwei Gründungsmitglieder und hat auch der einstige Parteivorsitzende und Spitzenkandidat seine politische Heimat.

Warum die Partei gegründet wurde, was sie sich auf die Fahnen schreibt, welche Probleme es gab und gibt und was DIE LINKE künftig in Schweinfurt und bundesweit vor hat, darüber informierten bei einem Kaffee Frank Firsching (Bildmitte, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Stadtrat Schweinfurt, Gründungsmitglied DIE LINKE.), Sinan Öztürk (rechts, Kreisvorsitzender DIE LINKE Schweinfurt, Gründungsmitglied DIE LINKE) und Klaus Ernst (links, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Gründungsmitglied DIE LINKE.).

Und dabei ging es um…

* die Ursache der Gründung: 1998 gab´s den Regierungswechsel. Rot-Grün unter Bundeskanzler Gerhard Schröder „hat einiges gemacht, was er vorher nicht sagte!“ Ernst meint die Teilprivatisierung durch die Riester-Rente, die Steuerreform mit der Senkung des Spitzensteuersatzes, die Deregulierung des Arbeitsmarktes mit dem größten Niedriglohnsektor in Europa, Hartz IV, die zehn Euro Arrztgebühr…. „Die Regierung bog rechts ab“, sagt Ernst, der wie andere Gewerkschafter Ärger in den Betrieben bekam. Ein Vakuum in Sachen sozialer Gerechtigkeit entstand. Und das galt es zu füllen.

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* wie alles anfing: Klaus Ernst kannte 2003 nach fünf Jahren in Kempten nach Schweinfurt zurückgekehrten Frank Firsching. Schröder verkündete gerade seine Agenda-Pläne. „Wir wollten die SPD zur Sozialdemokratie zurückführen“, erinnert sich Firsching. Er trat aus der Partei aus, in Schweinfurt wurde die WASG auf den Weg gebracht: Die Wahl-Alternative Soziale Gerrechtigkeit. 2004 fand in Berlin ein Gründungstreffen statt, 2005 war der Bundesparteitag. Im Osten, in den alten Bundesländern, gab´s damals die PDS. Ob man mit denen gemeinsame Sache machen könne? Der Beschluss damals: Nein!

* die Annäherung zur PDS: Kurz nach dem oben erwähnten Beschluss setzte Gerhard Schröder Neuwahlen an – ein Jahr eher als gedacht. Die WASG hatte die Wahl: Im Alter von einem dreiviertel Jahr bei den Bundestagswahlen ohne große Möglichkeiten antreten? Es meldete sich der von der SPD geschiedene Oscar Lafontaine und kündigte an: Er ist an Bord, wenn WASG und PDS gemeinsame Sache machen. „Habt ihr ´nen Knall?!“, soll Frank Firsching bei einer Autofahrt Klaus Ernst gefragt haben.

* das Zusammenkommen: „Die Gefahr, dass beide unter 5 Prozent landen und nicht in den Bundestag kommen, war groß“, weiß Ernst. Sein Ziel war, 2006 alleine mit der WASG anzutreten. Doch Lafontaine wies auf Gemeinsamkeiten im Wahlprogramm hin. „Zwei Parteien links von der SPD hätten nicht überleben können“, weiß Frank Firsching jetzt. Trotz unterschiedlicher Kulturen wurde so am 16. Juni 2017 DIE LINKE gegründet. „Es entstand Neues, auch wenn wir Parteigenossen hatten, die nicht kompromissfähig waren“, erinnert sich Firsching.


* die Verschmelzung: Am besagten Junitag 2007 seien die Parteien wir zwei Unternehmen verschmolzen. In zwei Hallen habe man zunächst parallel getagt. Am nächsten Tag gingen die Türen zwischen beiden auf… Zu wenige Gewerkschaftler aber seien bei den Linken beigetreten, gibt Klaus Ernst zu. Und: „Wenn alle Kreis in Deutschland so aufgestellt wären wir der in Schweinfurt, dann wären wir schon weiter.“

* die Arbeit im Schweinfurter Stadtrat: Seit 2008 sitzen dort unter anderem Firsching und Öztürk. „Acht bis zwölf Prozent der Schweinfurter haben wir seitdem eine Alternative geboten. Ohne uns wären sie gar nicht zur Wahl gegangen. Seitdem sind wir im Stadtrat diejenigen, die kritisch hinterfragen, was anderen nicht auffällt“, sagt Sinan Öztürk. Nur drei Stadträdte freilich bedeute ein Mehr an Arbeit. Firsching gibt zu, dass er öfters denkt, wie schön es doch wäre, in einer größeren Partei mitzuwirken. Doch eine Rückkehr zur SPD sei nicht drin, weil er nicht die „wachsweiche, halb neoliberale Politik mittragen“ könne.

* was man bundesweit erreichte: Den Mindestlohn könne man sich auf die Fahne schreiben. „Die SPD war immer dagegen“, erinnert sich Ernst. Die Regulierung der Arbeit würde erst durch die Linken überhaupt debattiert werden. Die Sozialpolitik wäre in eine ganz andere Richtung gegangen ohne seine Partei, sagt der einstige Vorsitzende. Auch wenn man nie regiert habe. „Hartz IV muss weg, das sage ich seit zwölf Jahren. Aber Hartz IV ist immer noch da…“


* die weiteren Vorhaben: Durch die Rechtsentwicklung habe sich die Parteieinlandschaft geändert. Bei den anstehenden Bundestagswahlen strebt die Linke zwar eine Regierungsbeteiligung an. „Die aber macht nur dann Sinn, wenn wir etwas verändern können, wenn wir die Lage verbessern. Nur ein, zwei Minister zu stellen, das bringt es nicht. Wir wollen aber die ausgegrenzten Menschen wieder einbeziehen“, so Klaus Ernst. Eine weitere Aufstockung des Etats für die Nato möchten die Linken verhindern: „Wir wollen doch schließlich keinen Krieg gegen Marsmännchen führen!“

* Gemeinsamkeiten mit der SPD und der CDU: Ernst spricht vom „Wunder von Würselen“, wenn er Martin Schulz meint. Und er nennt das Rentenkonzept der SPD „unter aller Sau!“ Dass sich die Sozialdemokraten eine Koalition mit der FDP vorstellen können, sei eine geringe Aussicht auf eine Politikwende in Deutschland. 40 Prozent der Menschen im Land würden aktuell weniger Einkommen zur Verfügung haben als zur Jahrtausendwende. „Deutschland geht´s gut“, hören die Linken von der Regierung. „Wer ist Deutschland? Diese 40 Prozent gehören dann ja nicht dazu“, antwortet Klaus Ernst.

* konkrete Zahlen: Jeder, der weniger als 7100 Euro im Monat verdiene, solle weniger Steuern bezahlen; jeder, der mehr verdient demzufolge mehr. der Mindestlohn müsste 11,84 Euro betragen, damit ein arbeitender Mensch später mal mehr Rente bekommt als Grundsicherung. Die Linken wollen ihr Rentenkonzept deutlich machen. „Es ist finanzierbar. Wir sind ja kein bettelarmer Staat. Geld ist vorhanden“, sagt Sinan Öztürk. Funktionsträger der SPD aber wären immer noch der Ansicht, dass Hartz IV und die Agenda-Reform richtig gewesen seien.

* der Wahlkampf in Schweinfurt: All die Gründungsmitglieder, um die 30 an der Zahl unter den nun rund 120 im Schweinfurter Kreisverband, wolle man bald ehren. Dazu den Bundestagswahlkampf aktiv begleiten mit wohl mehr als nur Ständen in der Stadt. Nach Sahra Wagenknecht, Oscar Lafontaine und Gregor Gysi werde man versuchen, in den entscheidenden Phase wieder einen prominenten Bundespolitiker zu holen. Und im Stadtrat möchte die Fraktion für Schweinfurt weiterhin eine konstruktive Opposition stellen. Gestaltungswille oder konkrete Ideen im Rathaus werden für Frank Firsching viel zu oft danach bewertet, von wem sie kommen – und nicht danach, ob sie gut oder schlecht sind.



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