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Von Klüften und Düften: Gedanken zum Jahreswechsel von Frank Firsching

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UNTERFRANKEN – Frank Firsching, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschafts-Bundes DGB Unterfranken (auf dem Bild), macht sich zum anstehenden Jahreswechsel so seine Gedanken.

„Deutschland geht es gut. Die Konjunktur brummt. Die Steuerreinnahmen sprudeln. Die Sozialversicherungen stehen blendend da. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Beschäftigung steigt. Alles paletti, oder was?

Nix ist paletti, denn da sind die Klüfte. Da ist die Kluft zwischen arm und reich. Sie wächst weiter. Wie auch die Kluft der Entlohnung zwischen den Branchen und Arbeitsplätzen wächst. Die Geringverdiener werden abgehängt, trotz Mindestlohn und vielfältiger gewerkschaftlicher Bemühungen, z.B. bei Amazon. Gut qualifizierte Arbeitnehmer/innen in tarifgebundenen Unternehmen dagegen können seit einigen Jahren wieder Reallohngewinne verbuchen – unserer erfolgreicher Tarifpolitik wegen.

Aber ihr Anteil sinkt. In Unterfranken sind nur noch 44 Prozent der Beschäftigten durch einem Tarifvertrag geschützt. Auch diese Kluft wächst. Klüfte überall. So hängt der Bildungserfolg der Kinder im Land zunehmend von den finanziellen Möglichkeiten und dem gesellschaftlichen Status der Eltern ab. Da werden die Klüfte gar vererbt. Ob es um bezahlbarem Wohnraum geht, um die Versorgung mit schnellem Internet, dem ÖPNV, der kommunalen Ausstattung mit Kultur- oder Sporteinrichtungen, wo man hinsieht, Klüfte über Klüfte.

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Im Ergebnis spalten die Klüfte das Land. So zerklüftet sich auch zunehmend die Parteienlandschaft in Interessengruppenvertretungen. Ablesbar bei nahezu jedem Wahlergebnis.

Was sich auf dem politischen Parkett tut ist also nichts anderes als die konsequente Fortsetzung einer gesellschaftlichen Entwicklung, die vor mehr als zweieinhalb Jahrzehnten begann. Es ist die Verwirklichung der uneingeschränkten Ellenbogengesellschaft als logische Folge des Wegfalls der Systemkonkurrenz nach dem Sieg des Kapitalismus. Lauthals gepredigt wurden nicht Solidarität, soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt, sondern Konkurrenzdenken, Eigensinn und kompromisslose Individualität. Der Duft der individuellen Freiheit und Unabhängigkeit als Versprechen des gnadenlosen Neoliberalismus zum persönlichen Glück.

Dieser Duft hat die Sinne der Menschen vernebelt. Jede/r gegen Jede/n für das eigene Glück heißt auch Deutsche gegen Migranten, Städter gegen Dörfler, Muslime gegen Christen, Reiche gegen Arme, Junge gegen Alte, Bayern gegen alle, gesellschaftlicher Kannibalismus als Ergebnis des Glaubens an ein vergiftetes Versprechen.

Doch wo Gefahr besteht, wächst das Rettende auch. Eine Menge Menschen engagiert sich sozial. Ob an den Ausgabestellen der Tafeln, als Vorlesende in Pflegeheimen, als Gewerkschafterin und Betriebsrat in den Unternehmen, als Übungsleiter in Sportvereinen, in Helferkreisen zur Integration von Geflüchteten, in der freiwilligen Feuerwehr oder bei unzähligen sozialen Projekten der Kirchen und Wohlfahrtsverbänden.

Wie weiter? Zurück in die Zukunft? Ja, es braucht eine Rückbesinnung mit Zukunftspotential. Die Düfte müssen sich verändern. Wir brauchen mehr Gemeinsinn, weniger Eigensinn. Mehr Zusammenhalt, weniger Spaltung. Zum Wohle der Gesellschaft, wie zum Wohle vieler Einzelnen. Das fordert ein Umdenken.

Und die Ausgangslage ist so schlecht nicht. Deutschland geht es gut (…). Denken wir über unsere Ziele nach. Soziale Sicherheit, gesellschaftliche Gleichheit und Teilhabe machen die Menschen glücklicher als gnadenlose Konkurrenz und kompromisslose Individualität. Dabei ist gesellschaftliche Gleichheit nicht zu verwechseln mit angeordneter Gleichmacherei.

Atmen wir 2019 den Duft der Solidarität. Helfen statt hetzen. Gemeinsam einstehen für den sozialen Zusammenhalt und Chancengerechtigkeit. Beginnen wir mit der überfälligen Reform von Hartz IV in ein soziales Sicherungssystem das diesen Namen verdient. Bitten wir die Steuervermeider zur Kasse um die Klüfte einzuebnen. Sorgen wir dafür, dass alle in eine Rentenkasse einzahlen, damit im Alter niemand arm wird. Stärken wir die Gewerkschaften, um gute Entlohnung für alle durchzusetzen. Und gehen wir menschlich miteinander um, ohne Beachtung der Herkunft der Menschen. Lassen wir niemanden zurück. Die Düfte einer konsequent humanen und solidarischen Gesellschaft lösen die Klüfte ab, die wir aufgerissen haben!“

Frank Firsching



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