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„Wer Hunger hat, ist bei uns richtig aufgehoben“: Ein Mittag bei der Schweinfurter Suppenküche

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SCHWEINFURT – Gegen 11.30 Uhr waren schon rund 20 Personen da. Noch ist nicht wirklich richtig Mittagszeit, aber bei der Suppenküche in Schweinfurt zeichnet sich an diesem Donnerstag schon ab, dass in etwa wieder die durchschnittliche Zahl an Gästen das Angebot im Hinterhof der Friedrichstraße 8 wahrnehmen, wo Irena und Sergej eine leckere Mahlzeit servieren. Um die 40 Personen.

Hühnereintopf mit Nudeln, dazu ein Brötchen und eine gesunde Bionade-Limo, das kommt gut an. Die letzten Tage gab´s Rindfleischeintopf, einen Westerntopf, einen Schnitzeltopf, Linsen- und Rindereintopf oder eine Bohnensuppe mit Speck und Gemüse, sogar Chilli Con Carne oder ungarisches Gulasch. Klingt fast wie bei der warmen Theke beim Metzger nebenan. Ist hier aber gratis. Und trotzdem frisch gemacht.

Udo Geyer ist derjenige, der die Suppen kocht und anliefert. Der Waigolshäuser hat mehrere Pizzawagen im Einsatz, kocht mit „Genuss 67″ Essen im Euerbacher Sportheim, das er als Vereinswirt betreibt. Und kam, sozial ohnehin schon immer engagiert, einst an bei der Schweinfurter Kindertafel, die er seitdem unterstützt. „Steffi List hat den Kontakt hergestellt“, sagt Stefan Labus, der erste Mann dieser Kindertafel, die es seit nunmehr einem Dutzend Jahren gibt.

Um die 4000 Euro muss diese Kindertafel pro Monat aufwenden, um die Lebensmittel einzukaufen für die gesunden Frühstückspakete, die man werktags überwiegend in umliegende Schulen fährt. Corona sorgte dafür, dass seit Monaten nur noch 30 bis 50 Pakete täglich notwendig sind. Drei Viertel der Gelder sind seitdem frei. Zunächst belieferte die Kindertafel ab Anfang 2020 die Bahnhofsmission mit insgesamt am Ende weit über 1000 Mittagessen. Daraus wurde nun die näher an der Stadtmitte gelegene Suppenküche. Das Klientel ist fast das gleiche: Überwiegend ältere Leute kommen täglich von Montag bis Freitag.

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Wo jetzt der Ausgabewagen steht, befand sich einst der Gabenzaun. „Der hat die Brücke zur Suppenküche geschlagen“, erzählt Stefan Labus. An den Zaun hingen Spender Lebensmittel oder Kleidung für die Bedürftigen, die sich das abholen konnten. Auch wenn´s diesen Zaun so nun nicht mehr gibt, so sammelt Labus weiterhin Waren. Der Drogeriemarkt dm in der Stadtgalerie spendet beispielsweise noch immer Nahrungsmittel für Babys. Labus hat die Kontakte und verteilt sie an Caritas, Lebenshilfe oder das Frauenhaus. Und erzählt mit Freude, dass die letzten Tage zwei Spender, die anonym bleiben wollen, 1200 Euro vorbei brachten, weil sie die Suppenküche so unterstützenswert finden.

Peter Schmidt (Name geändert, sein echter ist der Redaktion bekannt) hat sich einen Nachschlag geholt. „Wenn jemand sagt, er hat heute großen Hunger und ich habe genug im Topf, dann geht das“, sagt Irena. „Manche holen auch was ab für die Nachbarn“, ergänzt Stefan Labus. „Eine Frau nimmt immer etwas mit für eine 81 Jahre alte Oma“, weiß Irena. So richtig kontrolliert wird bei der Suppenküche nicht. Wer will, kann sich etwas holen. Geschirr mitbringen ist auch nicht unbedingt notwendig, Plastik-Gefäße gibt´s im Wagen für die Suppe. Nur das Leergut hätten die Verantwortlichen gerne wieder zurück.

Peter vergisst beim Gespräch mit dem Pressevertreter fast seine zweite Portion. Fotografiert werden will er nicht, „weil mich doch einige Leute noch kennen“. Hier zu essen, das ist der Großzahl der Gäste irgendwie unangenehm. Corona verbietet das Verspeisen am Verkaufsstand. Die meisten Leute nehmen die Suppe und die Zugaben und tappeln wieder weiter. Peter hat sein Fahrrad an die Seitenfront des Gebäudes gelehnt und die Bionade auf dem Fenstersims abgestellt. Und dann erzählt er.

Dass er mal einen ganz normalen Job und gut verdient hatte. Irgendwann im Leben dann ein Schicksalsschlag in der Familie, dazu körperliche Probleme. So geht es vielen. Nach einer OP möchte der knapp über 50-Jährige wieder arbeiten. Um eine Aufgabe zu haben. Peter ist schlau, gebildet, das merkt man sofort. Er interessiert sich für das Weltgeschehen, für die Politik, kann bei allem mitreden. Und erzählt. Bis die Suppe fast kalt ist. „Die kann man auch dann noch essen“, lacht er.

„Wer Hunger hat, ist bei uns richtig aufgehoben“, sagt Stefan Labus, der an sich zwei Unternehmen leitet, Junited Autoglas und die Firma für Wasserstrahl-Technik, beides im Gebäudekomplex untergebracht. Der 67-Jährige wollte 2010 mal Schweinfurter Oberbürgermeister werden. In der Stadt würde man dann die sozial Schwachen heute vielleicht anders wahrnehmen, als man es tut. Vier Stunden am Tag, rechnet Labus hoch, ist er ehrenamtlich tätig. Auch als geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Deutsche Kindertafel e.V.. Der hat noch die Münchner Kindertafel Glockenbach e.V., die Kindertafel Lüneburg und die Würzburger Kindertafel unter sich. Auch im thüringischen Suhl gibt es eine solche Einrichtung.

3,50 Euro zahlt die Kindertafel an Udo Geyer pro reichhaltiger Suppenportion. Selbstkostenpreis. Der Wirt hat einen seiner Verkaufswagen nach Schweinfurt verliehen. Den, in dem Irena und Alex heute stehen, seit 2009 Helfer und selbst Hartz IV-Empfänger. „Bei Udo wurden die Geschäfte ja auch weniger, er hat ihn übrig“, sagt Labus. Und lässt ihn in Schweinfurt auf dem Hof stehen, „so lange wir ihn brauchen“.

Und das kann länger sein, es soll eine Dauer-Einrichtung werden. Bis zu 50 Menschen holen sich an manchen Tagen eine Suppe. „Die passt zu den kühlen Tagen“, weiß Labus, der eine Verdoppelung der Zahlen bis Ende des Jahres für möglich hält. Gäste wie Speisen. Aber wenn es im Sommer wärmer wird, dann denkt man gerade nach über auch andere Gerichte. Wiener mit Kartoffelsalat beispielsweise, Hackfleischküchli mit Pommes oder Pizza, Letzteres ist natürlich das Steckenpferd von Udo Geyer. Doch der wäre bereit und würde an bestimmten Tagen Platz machen, falls andere Gastronomen aufspringen möchten.

Hilfe kann man nie genug haben, auch beim Personal. Und Spenden sind eh immer willkommen. Gerade für die Zeit, wenn der Schulbetrieb wieder startet und Kindertafel und Suppenküche in der Schweinfurter Friedrichstraße parallel laufen. „Wir leben in einer herzensguten Stadt“, lobt Labus die Hilfsbereitschaft der Bürger. Und glaubt, dass auch ohne Gelder aus dem Stadtsäckel ein Ausdehnen der Essensausgabe sogar auf das Wochenende möglich wäre. „Wenn die Nachfrage noch größer wird, dann könnten wir das binnen 24 Stunden hinbekommen!“

Donnerstag, kurz nach 13 Uhr: Irena und Alex, die für ihre treuen Dienste einen Einkaufsgutschein in Höhe von 44 Euro pro Monat bekommen und gratis mit dem Stadtbus fahren dürfen, senken die Klappe des Verkaufswagens ab. Der Topf war längst leer, wird nun gespült und für den nächsten Mittag vorbereitet. Freitag wartet ab 11 Uhr die nächste Suppe auf hungrige Schweinfurter.



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