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Aus der Geschichte lernen: Welche Bedeutung hat die Sozialdemokratie heute?

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SCHWEINFURT – Am Ende der Führung mit dem Titel „Das rote Schweinfurt“ stand die Frage: „Braucht es die Sozialdemokratie heute noch?“ Die Teilnehmer des Rundgangs durch die Geschichte der sozialdemokratischen Bewegung in Schweinfurt stimmen überein: Der Ausgleich zwischen arm und reich und der Kampf um soziale Gerechtigkeit ist noch nicht zu Ende.

Die soziale Schieflage im 19. Jahrhundert war es auch, die den Geburtsmoment der Sozialdemokratie in Schweinfurt begründete. Zu Beginn der Industrialisierung war die Not groß: Schlechte Wohn- und Arbeitsverhältnisse, um sich greifende Seuchen, häufig Hunger prägten den Alltag eines großen Teils der Bewohner der Stadt. Im vom Stadtkern seinerzeit abgelegenen Wohngebiet zwischen der heutige Stadthalle und der Friedrich-Stein-Straße, das in Anspielung an die fern gelegene deutsche Provinz in China „Kiautschau“ genannt wurde, manifestierte sich die Selbsthilfe der Arbeiter.

Dort errichtete der 1895 gegründete Konsumverein seine Auslieferungszentrale und einen großen Wohnblock. Die Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln und Wohnung war das Ziel. Die zweite Säule der sozialen Bewegung bildete die kulturelle, die zur Gründung von zahlreichen Arbeitervereinigungen führte, wie dem Sportclub 1900, den Freien Turnern, des Radsportvereins Solidarität, der Naturfreunde oder auch einer Esperanto-Gruppe. Zur damaligen Zeit waren die Arbeiter von einer Mitgliedschaft in den bürgerlichen Vereinen noch ausgeschlossen. Die erste SPD-Parteizentrale entstand im Vorläufergebäude des seit einigen Jahren leerstehenden Union-Kinos.

„Die Schweinfurter Sozialdemokraten zählten sich wie Fritz Soldmann mehrheitlich zum marxistischen Flügel der sehr auf Einheit bedachten Organisation“ erzählte Lenhard. Vor dem 1. Weltkrieg hatte die Partei am Ort über 1.800 Mitglieder. Die Spaltung 1917 in Mehrheits-Sozialdemokraten und USPD wegen der Kriegspolitik fand freilich auch in Schweinfurt statt. Dennoch wurde in einer gemeinsamen Kandidatur 1920 mit Benno Merkle (Lenhard: „Ein Glücksgriff für Schweinfurt!), der sich besonders im Wohnungsbau, der Errichtung einer Berufsschule und als geschickter Vermittler zwischen Unternehmern und Arbeitern einen Namen machte, der erste sozialdemokratische Oberbürgermeister gewählt.

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Die Geschichte der sozialdemokratischen Bewegung war auch immer eng mit gewerkschaftlichen Aktivitäten, insbesondere Streiks, verknüpft, die zwischen 1894 und 1910 in der Stadt noch klein und erst später größer wurden. „Es war damals – anders als heute, wo z.B. die IG-Metall eine lang Erfolgsgeschichte für sich verbuchen kann – eine Aneinanderreihung von Niederlagen“, berichtete Experte Lenhard, der 18 Jahre lang Betriebsratsvorsitzender bei Schaeffler war.

Mit der Revolution entschieden sich die große Mehrheit der Arbeiter für die parlamentarische Demokratie. Ein Teil der Gewerkschaftler verband damit aber die demokratische Verfasstheit der Wirtschaft voranzutreiben, was 1919 bei Kugelfischer und Fichtel& Sachs zu ersten Gründungen von Betriebsräten führte. Der Inhaberfamilien der Großindustrie sei dieses Streben ihrer Arbeiterschaft ein Dorn im Auge gewesen, weswegen diese zum Teil früh mit den Nationalsoziallisten sympathisierten, die das Betriebsführerprinzip favorisierten. Willy Sachs, dessen Namen vom Stadion verschwinden wird, erklärte deshalb bereits vor der Machtübernahme der Nazis, er wolle aus dem „roten Betrieb einen braunen machen“

1933 wurden mindestens 55 Schweinfurter Arbeiter vor allem im KZ Dachau interniert. „Dies waren einschneidende Erlebnisse für die Verhafteten und deren politisches Umfeld und zielte darauf den Widerstand zu brechen,“ sagt Lenhard. Den Leiden dieser stillen Opfer wird in der Schweinfurter Stadtgeschichte nicht ausreichend gewürdigt, beklagte Lenhard. Schon am Anfang der 1930er Jahre stand die Schweinfurter Arbeiterschaft mutig gegen die Nationalsozialisten; unvergessen bis heute ist, dass Adolf Hitler bei seinem Besuch 1932 ausgebuht wurde.

Nach dem Krieg folgte eine lange Erfolgsgeschichte der SPD in Schweinfurt, die ihr jähes Ende dann fand, als die Kandidatin der CSU 1992 überraschend die Wahl zur Oberbürgermeisterin gewann. Aktuell versucht die SPD mit einer Veranstaltungsreihe zum Transformationsprozess der Industrie in Schweinfurt hin zu neuer Mobilität und mehr Digitalisierung wieder die Themen aufzugreifen, die der Arbeitnehmerschaft momentan unter den Nägeln brennen. SPD-Kreisvorsitzende Marietta Eder dazu: „Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass die unabwendbaren Veränderungen in der Industriearbeit nicht dazu missbraucht werden Einkommen und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern!“

Foto: Christopher Richter



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