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Die Geschichte von Mohamad Awata: Erinnerungen im Kopf – und fünf Bombensplitter

SCHWEINFURT / DAMASKUS – Die Lebensgeschichte von Mohamad Awata ist eine außergewöhnliche. Auch wenn der Stürmer des FC Schweinfurt 05 erst 26 Jahre alt ist. Er hat trotzdem schon eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Vor ein paar Jahren flüchtete er aus Syrien – und hat heute noch Bombensplitter in seinem Kopf.

SW1.News und fuSWball.de sprachen mit Awata.

Herr Awata, fühlen Sie sich mittlerweile in Deutschland oder besser Bayern oder noch besser: in Franken heimisch?
Mohamad Awata: Ja sehr. Hier in Deutschland ist alles besser. Für mich ist es das beste Land, in dem ich bisher gelebt habe, vor allem was die Sicherheit betrifft. Ich bin in Deutschland sehr zufrieden.

Inwieweit konnten Sie das, was Sie in Ihrer Heimat erlebt haben, mittlerweile verarbeiten?
Mohamad Awata: Natürlich kann ich nicht vergessen, was ich erlebt habe und was in Syrien passiert ist. Aber ich versuche immer, nach vorne zu schauen und aus den Dingen, die ich erlebt habe, zu lernen. Ich versuche immer positiv zu denken und – egal was passiert ist – positiv nach vorne zu blicken.

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Ihre Mutter starb bei einem Bombenangriff. Sie haben auch erlebt, wie Ihr Onkel verwundet wurde, auch er starb danach. Kann man solche Erlebnisse überhaupt verarbeiten?
Mohamad Awata: Eigentlich nicht. Ich kann diesen Moment nicht vergessen. Ich glaube, niemand könnte so ein Erlebnis einfach verarbeiten. Aber wie ich davor schon gesagt habe, ich muss immer versuchen, positiv nach vorne zu schauen. Ich glaube auch daran, dass – wenn meine Mutter und mein Onkel auf mich hinab schauen und sehen, wo ich jetzt bin, dass ich Fußball spiele und ein gutes Leben habe – dann sind sie auch zufrieden. Aber natürlich bleiben diese Erinnerungen im Kopf, diesen Schmerz versuche ich jedoch in Motivation umzuwandeln, um weiterzukämpfen.

Sie haben Bombensplitter in Ihrem Körper? Wie ist das passiert? Kann man die irgendwann entfernen?
Mohamad Awata: Ich habe noch 13 Splitter in meinem Körper. Fünf in meinem Kopf, zwei befinden sich in meinem Arm und sechs müssten in meinen Beinen noch sein. Passiert ist es, als ich auf der Straße auf dem Weg nach Hause war und dann eine Bombe rechts von mir explodiert ist. Ich hoffe, dass ich die Splitter irgendwann im Sommer entfernen lassen kann, wenn die Saison vorbei ist und im Fußball Pause ist.

Ihre Flucht führte damals per Schlauchboot über das Meer. Hatten Sie Todesangst? Oder vertreibt die Sehnsucht nach einem Leben in Frieden diese Ängste?
Mohamad Awata: So zu flüchten war das größte Risiko, das ich in Kauf nehmen musste. Aber es war der einzige Weg für mich damals. Und wenn ich an mein Leben davor gedacht habe, hatte ich nichts mehr zu verlieren. In diesem Moment denkt man nicht daran, was man verlieren kann, dass man auf sich alleine gestellt ist oder dir irgendjemand was antun könnte. In dieser Situation entscheidet nur Gott, was passiert und ich habe es geschafft. Ich habe meine ganze Zukunft in Gottes Hand gelassen und das war gut für mich.

Wie kam´s, dass Sie in Deutschland landeten und wieso ausgerechnet beim TSV 1860 München?
Mohamad Awata: Von Syrien über die Türkei bin ich über verschiedene Länder nach Deutschland gekommen. Die erste Station hier in Deutschland war Stuttgart. Ein Freund von meinem Onkel, der bereits in München gelebt hat, hatte gute Kontakte zum TSV 1860 München. Er hat den damaligen Trainer Daniel Bierofka gefragt, ob ich in München ein Probetraining absolvieren darf. Daniel Bierofka hatte damals zugestimmt, dass ich eine Woche lang beim TSV trainieren darf und anschließend bleiben darf, wenn ich gut bin. Bereits nach dem ersten Training konnte ich beim TSV überzeugen, das war für mich der glücklichste Moment in meinem Leben.

Wie war das damals komplett ohne Deutsch- und Englisch-Kenntnisse?
Mohamad Awata: Es war schon schwer, weil ich gar kein Deutsch sprechen konnte und Englisch nur ein wenig. Aber ich hatte Glück, dass ich so tolle Mannschaftskollegen hatte, die mir von Herzen gerne geholfen haben. Wir haben uns mit Händen und Füßen verständigen können und nach und nach habe ich die Sprache gelernt. Besonders bedanken möchte ich mich bei meinen damaligen Spielerkollegen Christian Köppel, Menelik Chaka, Nono Koussou, Marin Pongracic und Lukas Aigner. Ich glaube, jeder kennt sie in der Regionalliga Bayern und für mich sind sie vom Herzen her gute Menschen.

Bei Regionalliga-Meister 1860 München wurden Sie nur zwei Mal eingewechselt, trafen aber zum Abschluss in Bayreuth, spielten ansonsten für die zweite Mannschaft in der Bayernliga bei immerhin zehn Treffern. Gab´s keine Chance, sich bei den Löwen durchzusetzen?
Mohamad Awata: Ich hatte bei 60 eine richtig gute Zeit. Der Kader damals war allerdings sehr groß mit 33 Spielern. Und natürlich standen mit Sascha Mölders und Timo Gebhart zwei Bundesligaprofis vorne drin, die unschlagbar waren. Der TSV hatte damals mit dem Abstieg in die Regionalliga Bayern schwere Zeiten und natürlich hatte der Aufstieg in die dritte Liga oberste Priorität. Ich bin sehr dankbar, dass ich meine Chance, wie im Spiel gegen Bayreuth, erhalten habe und für 60 da auch treffen und zwei Tore vorbereiten konnte. Das hat mir gezeigt, dass ich zu den Löwen gehöre und auch meinen Teil dazu beitragen kann.

In 15 Regionalliga-Partien trafen Sie danach sechs Mal für Heimstetten vergangene Saison, schossen in der Relegation ein Tor zum Klassenerhalt. War das eine wunderbare Saison?
Mohamad Awata: Heimstetten war für mich eine schöne Zeit. Ein halbes Jahr, in dem ich spielen und treffen konnte. In 15 Spielen konnte ich, wie schon erwähnt, sechs Treffer erzielen und am Ende haben wir es über die Relegation geschafft, die Liga zu halten. Auch persönlich war es aber eine schöne Erfahrung für mich, mit dem Trainerteam und der Mannschaft in Heimstetten. Dort sind gute Freundschaften entstanden und ich habe noch viel Kontakt mit den Menschen dort.

Was dachten Sie, als der FC Schweinfurt 05 letztes Jahr Interesse an Ihnen zeigte?
Mohamad Awata: Ich habe mich sehr darüber gefreut. Schweinfurt zählt in der Regionalliga Bayern zu den besten Mannschaften. Die Bedingungen, die beim FC 05 gegeben sind, unter Profibedingungen zu arbeiten, haben mich schnell überzeugt. Natürlich auch das Ziel, aufzusteigen, hat mich sehr gereizt. Daher war ich sehr zufrieden, als ich das Angebot erhalten habe.

Warum hat es denn bei den Schnüdeln noch nicht geklappt mit einem Tor in 17 Regionalliga-Spielen? Im Pokal in Großbardorf und zuvor in Lohr trafen Sie ja…
Mohamad Awata: In der Hinrunde bei den Schnüdeln war es für mich oft so, dass ich nicht in der Stammelf stand oder nicht so offensiv als Stürmer gespielt habe, manchmal auch über außen oder im Mittelfeld. Ich habe versucht, der Mannschaft im Spiel zu helfen. Ich glaube aber auch, dass ein Spieler Zeit braucht. Ein gutes Beispiel ist für mich Hazard von Real Madrid, der in 20 Spielen nur einmal getroffen hat. Oder auch Cristiano Ronaldo, der zu den besten Fußballern zählt und immer in einem großen Verein spielt. Die ersten fünf oder sechs Spiele, die er für Juve gemacht hat, hat er auch nicht getroffen und dennoch ist er eine Tormaschine, spielt immer 90 Minuten und hat dadurch Selbstvertrauen. Ich glaube dieses Selbstvertrauen hat mir in Schweinfurt etwas gefehlt.

Immerhin lernten Sie in München Christian Köppel kennen, heute wieder Ihr Teamkollege beim FC Schweinfurt 05. Ist das eine besondere Freundschaft? Wohnen Sie noch zusammen?
Mohamad Awata: Für mich ist Christian Köppel nicht nur ein Teamkollege und sogar auch mehr als ein Freund. Er ist in meinen Augen wie ein Bruder für mich. Er hilft mir immer und unterstützt mich immer, egal um was es geht. Seitdem wir in Schweinfurt spielen, wohnen wir zusammen in einer Wohngemeinschaft, auch noch mit Benedict Laverty, Lamar Yarbrough und Maximilian Bauer.

Kochen Sie immer noch in erster Linie für ihn? Oder er auch mal für Sie? Und wer kocht was?
Mohamad Awata: Bei uns in der WG ist es so, dass jeder seine Aufgabe hat. Ich bin der Koch der WG, ich koche immer für die Jungs und dann essen wir alle gemeinsam. Natürlich koche ich viele Spezialitäten aus der arabischen Küche.

Was macht die Deutsche Sprache?
Mohamad Awata: Ich muss dazu sagen, bislang habe ich noch keinen Deutschkurs gemacht. Ich habe die Sprache in der Kabine gelernt, angefangen bei 1860, als die Spieler untereinander deutsch gesprochen haben und ich mit ihnen auch Deutsch sprechen musste. Das war die beste Voraussetzung, um die Sprache zu lernen. Zuhause habe ich aber auch angefangen, mit Köppi Deutsch zu lernen. Und wenn ich mit meinen Mitspielern über WhatsApp schreibe, lerne ich da natürlich auch, auf Deutsch zu schreiben. Ich muss aber auch sagen, dass die Mitarbeiter mir beim FC 05 helfen, dass ich die Sprache besser beherrsche und zuhause üben kann.

Wie und wo sehen Sie Ihre Zukunft? Kann es irgendann ein Zurück nach Syrien geben? Lebt dort noch Verwandtschaft von Ihnen?
Mohamad Awata: Ich weiß nicht, was die Zukunft mit sich bringt. Ich möchte natürlich meine Familie in Syrien besuchen, weil sie noch in Damaskus leben. Aber bis jetzt war es nicht möglich, weil es nicht sicher ist. Aber auch wo ich in Zukunft spielen werde, ist noch ungewiss. Aber ich stehe im ständigen Austausch mit meinem Berater, deswegen muss ich in Zukunft schauen, welche Möglichkeiten sich ergeben.

Meinen Sie, der FC 05 verlängert Ihren Vertrag?
Mohamad Awata: Ich habe in Schweinfurt damals für ein Jahr unterschrieben und finde es sehr gut, dass unser Trainerteam und unser Geschäftsführer jetzt schon im Austausch mit den Spielern stehen. In der derzeitigen Situation ist natürlich sehr ungewiss, wie es im Fußball und in der Liga überhaupt weitergeht und ich hoffe, dass wir gemeinsam bald wieder auf dem Platz stehen können. Ab Sommer ist es für mich so, dass ich nicht in Schweinfurt bleiben werde. Aber wie schon erwähnt, stehe ich mit meinem Berater in einem regelmäßigen Austausch und bin mir sicher, dass sich für mich eine neue Möglichkeit ergeben wird.

Wir danken für dieses offene Gespräch und wünschen alles Gute!

 



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