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Afghanistans „C“ ist ein Schnüdel: „Toto“ Sharityars Gänsehaut bei der Nationalhymne

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SCHWEINFURT – Mit Djelaludin Sharityar hat der FC 05 Schweinfurt einen ganz besonderen Defensivspieler zurück geholt. Denn der 30-Jährige ist Kapitän der Nationalmannschaft Afghanistans, spielte zuletzt als Profi in Bahrain und 2009 schon mal für eine Halbserie bei den Schnüdeln. Wir sprachen mit ihm.

Zunächst mal die Frage nach Deinem Spitznamen „Toto“ – wo kommt der denn her?
Djelaludin Sharityar: Als ich 1990 nach Deutschland kam, konnten die meisten Leute meinen Vornamen nicht aussprechen. Damals fand gerade die Fußball-WM statt und Salvatore „Toto“ Schillaci war Italiens Top-Torjäger. Ich war damals übrigens noch ein sehr talentierter Stürmer.

Warum bist Du damals in der Bodenseeregion gelandet?
Sharityar: Zufall. Das war damals schon die Politik, dass Asylanten über das Land verteilt wurden.

Dein Vater kam bereits Jahre vorher nach Deutschland…
Sharityar: Ja, ungefähr drei Jahre vorher. Damals gab es noch keine Handys. Er wurde von einem Asylantenheim zum anderen gebracht, bei uns zuhause war Krieg und wir flüchteten von einem Ort zum anderen. Wir hatten keinen Kontakt, keiner wusste, wo der andere steckte. Das war keine schöne Zeit.

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1990 kamst Du mit Mutter und drei Brüdern nach.
Sharityar: Ich war damals sieben Jahre alt. Mein älterer Bruder Mohammed spielte auch lange Fußball. Jetzt gerade schreibt er in Tübingen an seiner Doktorarbeit. Unlängst machte er sein Praxisjahr als angehender Arzt in der Schweiz. Mein ältester Bruder Goll Sadeq arbeitet als Industriemechaniker. Mein jüngster Bruder Saifudin hat gerade sein Master in BWL in Edinburgh in Schottland abgeschlossen. Somit haben wir alle erfolgreich unsere Wege in Deutschland eingeschlagen und das vor allem dank der Unterstützung unsere Eltern.

Der beste Fußballer aber in der Familie warst anscheinend Du?
Sharityar: Ich habe beim FC Öhningen am Bodensee gespielt, wurde in der Region schnell bekannt. Anscheinend hatte ich Talent (lacht). Deshalb wurde ich vom VfL Wolfsburg zu einem Training eingeladen. Das passte dann schnell und ich wechselte.

Wer war damals in Deiner Jugendzeit noch bei den Wolfsburgern?
Sharityar: Aus der Region kennt man natürlich Marc Reitmaier, der heute noch ein guter Freund von mir ist. In den Profifußball haben es danach Torwart Patrick Platins, Joshua Kennedy oder Benjamin Siegert geschafft.

Und warum Du zunächst nicht?
Sharityar: Ich war als Mensch noch nicht reif genug, es fehlte mir an Persönlichkeit. Zudem war ich recht weit weg von zuhause und hatte Heimweh.

Über ein paar Stationen bist Du damals in Weiden und dann in Schweinfurt gelandet. Wie kam das?
Sharityar: Die Kontakte knüpfte ein Berater nach Weiden. Dort wollte man damals unbedingt in die Regionalliga. Nach Schweinfurt kam ich auch durch Marc Reitmaier.

Warum bist Du so schnell wieder weg aus Schweinfurt?
Sharityar: Ich hatte ein gutes Angebot aus Zypern und wollte das unbedingt machen. Dorthin hat mich mein Ex-Trainer Willy Scheppers, ein ehemaliger holländischer Nationalspieler, mitgenommen. Er war bei APEP Kyperounda Sportdirektor und hat mir dann ein gutes Angebot gemacht. Nach Bahrain kam der Kontakt durch einen Berater aus Kuwait zustande – und ich habe nach einem Probetraining in Bahrain ein Angebot erhalten.

Toto Sharityar netz2Zuletzt warst Du eineinhalb Jahre Profi in Bahrain. Warum jetzt nicht mehr?
Sharityar: Dort will man mit eigenen Leuten etwas aufbauen und sagte den ausländischen Spielern, dass man ihre Verträg auflösen möchte. In so einem Land ist es besser, wenn man sich dann einigt….

Und die Reise ging zurück nach Schweinfurt….
Sharityar: Ich hatte schnell Kontakt mit Vorstand Markus Wolf, den ich ja von damals noch kannte. Dann musste ich nur noch den Trainer kennen lernen, was vorletztes Wochenende klappte.

Mit welchen Zielen kommst Du zu den Schnüdeln zurück?
Sharityar: Dieses Jahr wollen wir den Klassenerhalt schaffen. Im Sommer schauen wir dann, wie es weitergeht. Ich habe ja zunächst mal bis Saisonende unterschrieben. Ich fühle mich jedenfalls noch fit genug, um länger Fußball zu spielen.

Es kann anscheinend sein, dass Du demnächst ab und an mal fehlen wirst, weil zu Deinen 25 Länderspielen weitere kommen könnten!
Sharityar: Vom 10. bis 24. Februar steht eigentlich ein Trainingslager an mit der Nationalmannschaft in Katar. Als Kapitän sollte ich da nicht unbedingt fehlen. Aber vielleicht muss ich auch nur ein paar Tage hinschauen, sicher nicht die ganzen zwei Wochen. Da sind 46 Spieler eingeladen zur Vorbereitung auf den Challenge-Cup. Der findet Ende Mai auf den Malediven statt. Dort geht es unter anderem gegen die Philippinen oder gegen Turkmenistan und um die Qualifikation zu den Asienspielen. Da werde ich wohl das letzte Punktspiel mit Schweinfurt verpassen.

Kannst Du Dich an Dein erstes Länderspiel erinnern?
Sharityar: Klar, das war 2007 gegen Syrien in Damaskus. Mit 70.000 Leuten war das Stadion voll und wir verloren mit 0:3. Ich habe damals keinen meiner Mitspieler gekannt. Aber als die Nationalhymne gespielt wurde, da hatte ich schon Gänsehaut.

Wie kann man sich die Stärke der Nationalmannschaft Afghanistans vorstellen?
Sharityar: Unser Vorteil gegenüber den anderen kleineren asiantischen Ländern, ich rede jetzt hier also nicht von Japan oder Südkorea, ist, dass viele unserer Spieler im Ausland aktiv sind, also auch in Amerika, in Holland oder in Russland. Und natürlich in Deutschland. Mansur Faqiryar ist beispielsweise Torwart beim Regionalligisten Oldenburg, Milad Salem stürmt für den Drittligisten Elversberg. Im Kader von Borussia Dortmund gibt es mit Mustafa Amini einen Afghanen, der sich aber aufgrund seiner Wurzeln wohl für Australien entscheiden wird.

Wenn ihr gegen Deutschland spielen würdet, wie ginge das aus?
Sharityar: Oh, in Kabul würde Deutschland wohl nicht so hoch gewinnen. 4:0 oder 5:0 vielleicht. Deutschland ist ganz klar besser, wäre gegen uns aber vielleicht nicht so motiviert. Man muss schon sagen, dass wir eine sehr gute Truppe haben, wenn alle zusammen sind. Das Problem in Afghanistan ist noch die schlechte Organisation. Der Verband ist noch nicht so richtig in der Lage, die besten Spieler zusammenzubekommen. Klaus Stärk, ein Fußballtrainer aus Stuttgart, hat erst 2003 begonnen mit dem Aufbau einer Nationalmannschaft. Er hat mich 2007 geholt. Erst seit wenigen Jahren gibt es in Afghanistan eine Art Ligabetrieb mit einer Meisterschaft zwischen Teams aus den einzelnen Regionen.

Im August 2013 hatte Afghanistan das erste Heimspiel nach langen Jahren gegen Pakistan und siegte mit 3:0…
Sharityar: ….und ich fehlte damals leider verletzt. Ich habe das Spiel aber live im Fernsehen geschaut. In Kabul war das Stadion voll.

Im September hat Dein Land dann erstmals die Südasienmeisterschaft gewonnen mit einem 2:0 im Finale gegen Indian.
Sharityar: Das war in Nepal und ich fehlte leider immer noch. Zuhause haben 30.000 Leute die Mannschaft erwartet nach der Rückkehr. 2011 hatten wir das Finale gegen Indian noch mit 0:4 verloren. Präsident Hamid Karzai, der Regierungschef des Landes, hat alle Spieler zum Essen eingeladen und jedem ein Zwei Zimmer-Appartement in Kabul versprochen. Es heißt, das bekomme ich auch noch… Torwart Mansur Faqiryar war top, er hat zwei Elfmeter gehalten. Zu den letzten zwei Halbfinales und Finales der Südasienmeisterschaft hat die afghanische Fluggesellschaft Kam Air kostenlos Afghanen ins Austragungsland einfliegen lassen, um die Mannschaft zu unterstützen.

Wie groß ist das Risiko in Kabul, in Afghanistan generell?
Sharityar: Gefahr ist schon immer dabei. Vor ein paar Jahren war ich mal dort, hatte auf der Durchreise zwölf Stunden Aufenthalt, wollte in meinem Heimatland so viel sehen wie möglich. Da kann zu jeder Sekunde etwas passieren, wenn man am falschen Ort ist.

Ist Afghanistan Deine Heimat?
Sharityar: Ich fühle mich schon als Afghane. Aber ich bin viel herumgekommen in den letzten 15 Jahren. Deutschland fühlt sich wie meine Heimat an. Man muss dankbar sein dafür, was man hier hat. Auch im Vergleich zu Ländern, wo viel Geld vorhanden ist. Jetzt hier wieder in Schweinfurt – das fühlt sich richtig gut an für mich!

Übrigens: Das an sich für Sonntag geplante Testspiel der Schnüdel gegen die U23 von Eintracht Frankfurt wurde witterungsbedingt abgesagt.



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