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Eine dauerhaft geschädigte Lungenfunktion: Tanja Kriegelstein und die dramatischen Folgen einer Rauchbombe beim Spiel der Mighty Dogs im Schweinfurter Icedome

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SCHWEINFURT – Den 4. März diesen Jahres wird Tanja Kriegelstein sicherlich niemals vergessen. Die damals 34-Jährige wusste an diesem Abend zunächst sicherlich noch nicht, dass sie ihren 35. Geburtstag nur vier Tage später im Krankenhaus verbringen wird. Beim Eishockeyspiel der Mighty Dogs gegen Sonthofen war sie damals als ehrenamtliche Ordnerin mit ihrem Hund eingesetzt. Das Play Off-Halbfinale endete mit einem Sieg der Schweinfurter und mit unschönen Szenen. An den Folgen einer von Sonthofener Fans entzündeten Rauchbombe leidet Frau Kriegelstein heute noch.

„Ich stand vor den Fans“, erinnert sie sich heute. „Da es im Vorfeld bereits zu Problemen gekommen war, stand eine Streife der Polizei Schweinfurt neben mir. Die Polizei war durch den Leiter des Sicherheitsdienstes bestellt worden. Gemeinsam beobachteten wir den Fanblock. Rund zehn Sekunden vor Spielende erkannten wir einen Täter, wie er eine Rauchbombe zündete. Der Polizeibeamte ging sofort in den Fanblock und nahm den Täter fest. Ich selbst versuchte den Rauch mit einem Eimer Wasser einzudämmen. Die Rauchbombe ließ sich jedoch nicht löschen. Plötzlich merkte ich, wie mehrere Kinder hinter der Bande in Panik gerieten, da Sie den Bereich nicht verlassen konnten. Die Rauchbombe war zwischen ihnen und dem nächsten Notausgang. Ich half zunächst den Kindern über die Bande und schickte sie in Richtung Hauptausgang. Da immer mehr Leute hinter der Bande standen und diese nicht ohne Hilfe übersteigen konnten, half ich auch diesen Leuten, den Gefahrenbereich zu verlassen. Zwischenzeitlich wurde eine zweite Rauchbombe gezündet. Dies habe ich zum Zeitpunkt des Geschehens nicht mitbekommen, aber durch eine später gesicherte Videoaufnahme konnte ich das sehen. In dem Video kann man auch sehen, wie ich im Hintergrund den Leuten über die Bande helfe, während im Vordergrund ein ebenfalls verletzter Ordner mit dem Täter kämpft.“

Das Ganze hatte ziemlich dramatische Folgen: „Ich hatte sofort Atembeschwerden. Da ich dachte, dass sich die Atembeschwerden wieder geben werden, bin ich zunächst nach Hause gefahren. Die rund 120 km nach Hause waren sehr anstrengend. Ich hatte starke Kopfschmerzen, durch den Sauerstoffmangel wie ich heute weiß, und musste mich mehrfach übergeben. Als ich zu Hause war, hat mich mein Ehemann sofort ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde eine schwere Rauchvergiftung festgestellt und ich wurde stationär aufgenommen.“ Als sie fünf Tage später wieder entlassen wurde, war sie zwar stabilisiert, aber nicht gesund.

Nach derzeitigem Kenntnisstand war der Rauchtopf mit einer Substanz vermischt, die an ihren Bronchien starke Verätzungen hervorgerufen hat. Seit dieser Zeit hat Frau Kriegelstein ständige Atembeschwerden, Atemnot und Schlafstörungen wegen dauernden Husten in der Nacht. Im September musste sie erneut für drei Tage stationär ins Krankenhaus. Die kalte Jahreszeit hatte angefangen und kalte Luft stellt die Bronchien eng, was eine dauernde Atemnot hervorruft. „Nach starker Cortisongabe konnte ich das wieder in den Griff bekommen. Im Oktober musste ich dann erneut für fünf Tage ins Krankenhaus, weil die Atemnot wieder so schlimm war, dass ich notfallmäßig eingeliefert und stationär aufgenommen wurde.“ Wiederum bekam sie starke Medikamente mit entsprechenden Nebenwirkungen. Mittlerweile wurde bereits ein Dauerschaden an ihrer Lunge per Gutachten festgestellt. „Zu diesem Zeitpunkt betrug meine Lungenfunktion nur noch 43,8 Prozent. Der Weg vom Keller in das Erdgeschoss glich einer Weltreise. Aus diesem Grund wurde auch entschieden, dass ich drei Wochen in einer Lungenfachklinik behandelt werden musste.“ Vom 12. November an weilte die Hessin in einer Lungenfachklinik auf der Insel Föhr. „Dort wurde mir mitgeteilt, dass sich mein Lungengewebe nie mehr regenerieren wird. Zwar wurde mir gesagt, wie ich meine Leistungsfähigkeit steigern kann, jedoch bleibt meine Maximallungenfunktion bei ca. 49 Prozent eines gesunden Menschen. Und das für den Rest meines Lebens“, weiß die 35 Jahre alte Mutter zweier Kinder.

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Medizinisch nennt man das COPD = Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung. „Alles was Schnellkraft erfordert, kann ich nicht mehr machen. Weder 50 Meter hinter jemanden herrennen, Personen zurückhalten, wenn diese an einer Absperrung durchbrechen wollen, mehr als 20 Treppenstufen steigen und so weiter. Dinge, die Ausdauerkraft erfordern, wie Walking  oder Spazierengehen kann ich in gewissen Grenzen machen“, erklärt sie. Eine der unangenehmen Nebenwirkungen des COPD ist, dass man quasi dauerhaft eine entzündete Lunge hat. Dies hat zur Folge, dass jeder Schnupfen, Husten oder Kontakt mit Erkältungskranken eine Verschlimmerung der Beschwerden nach sich zieht. Diese Verschlimmerung geht bis zur kompletten Atemnot, so als ob man versucht, durch einen Strohhalm zu atmen. Als einer der Auslöser wurde festgestellt, dass kalte Luft und oder Rauch wie Nikotin sofort einen Anfall mit Atemnot bei ihr auslöst. „Als Dauermedikament habe ich deswegen nun ein Notfallspray bei mir, welches innerhalb kurzer Zeit die Bronchien weitstellen kann. Weiterhin habe ich immer Cortison als Spray bei mir, welches mehrfach am Tag benutzt wird.“ Die Dauerfolgen eines erhöhten Cortisongebrauchs dürften bekannt sein …

Tanja Kriegelstein arbeitete bis dahin als Hundeführerin und Sicherheitsfachkraft auf 400 Euro-Basis, ist bei ihrem Mann Thomas krankenversichert, der als Polizeibeamter arbeitet. Faktisch bedeutet ihre Krankheit, dass sie in ihrem Beruf nicht mehr arbeiten kann, „da ich nie ausschließen kann, dass ich in Situationen komme, bei denen ich Schnellkraft brauche. Selbst wenn es sich um eine absolut friedliche Veranstaltung handelt, bei der man dann aber auch keinen Sicherheitsdienst beschäftigen würde, kann ich dort nicht mehr eingesetzt werden, da die Gäste im Regelfall zum Rauchen vor die Tür gehen. Dort, wo ich den Einlass kontrolliere, würde ich somit voll im Rauch stehen“, weiß sie.

Durch den Vorfall sind bisher Kosten in Höhe von mehr rund 20.000 Euro entstanden. Tanja Kriegelsteins Eigenanteil daran beträgt derzeit etwas rund 8000 Euro. Die hohe Summe kommt zustande, weil sich niemand für den Schaden verantwortlich fühlt und die Kosten dementsprechend in weiten Bereichen schlichtweg nicht übernommen werden. Derzeit gibt es keine Versicherung, die sich eintrittspflichtig fühlt. „Jeder versucht, die Kosten dem anderen zuzuschieben. Dem Krankenhaus, den Ärzten, der Apotheke und so weiter ist es egal, wer irgendwann vielleicht einmal zahlungspflichtig wird, da ich deren Kostenschuldner bin.“

Drei weitere Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes wurden an diesem Abend verletzt. Über den bisherigen Schriftverkehr hat sie erfahren, dass sie die Erstattung ihrer Kosten wohl oder Übel im Klageweg erstreiten muss. „Diese Klage ist keineswegs persönlich gemeint, aber meine finanziellen Mittel sind mehr als erschöpft und ich bin berufsunfähig. Aktuell versuche ich mit meinem Wissen eine neue Form der Beschäftigung zu finden. Der Erfolg meiner Bemühungen ist aber aufgrund meiner angeschlagenen Gesundheit und meiner schlechten Leistungsfähigkeit mehr als fraglich.“ Die Berufsunfähigkeit hat auch zur Folge, dass ihr Arbeitgeber Frank Nägele zwei Hunde im Team und Aufträge verliert oder mit anderem Personal besetzen muss.

Die Täter aus Sonthofen sind nach derzeitigem Kenntnisstand mittellos, so dass dort nicht mit einer Erstattungen der Kosten zu rechnen ist. Die Ermittlungen der Polizei Schweinfurt wurden zur weiteren Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft in Kempten abgegeben. Der Vorfall wurde von den Sonthofenern auf Video aufgenommen. Der Staatsanwaltschaft liegt das Video vor.

Aufgrund der für gravierenden Folgen kann Tanja Kriegelstein in Zukunft leider nicht mehr in den Icedome oder zu irgendwelchen Eishockeyspielen nicht nur der Mighty Dogs gehen. Dies geht weder als Privatperson und schon gleich gar nicht als Ordner. „Besuche bei Veranstaltungen mit vielen Menschen wie Dorffesten und so fallen für mich in Zukunft ebenfalls aus“, hat die 35-Jährige realisiert. Die Mighty Dogs denken nun über eine Spendenaktion nach und wollen auch versuchen, den ERC Sonthofen mit ins Boot zu holen. Diese Spendenaktion wird definitiv kommen, ein genauer Termin steht aber noch nicht fest.

Ein rechtlicher Hinweis: Unsere Bilder mit den Sonthofener Fans entstanden genau in dem Moment, als die Ruchbombe gezündet wurde. Auf den Fotos aber ist der Täter nicht zu erkennen, lediglich an der Tat nicht beteiligte Anhänger der Gäste.



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