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„Lasst uns öffnen“: Auch in Schweinfurt regt sich immer mehr Widerstand gegen Corona-Schließungen

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SCHWEINFURT – Diesen Donnerstag war bayernweit Protest angesagt. Wieder mal. Und vielleicht so deutlich, dass der kommende Bundeskanzler Markus Söder davon Kenntnis erlangt hat. „Lasst uns öffnen“, lautete das Motto, dazu lud in Schweinfurt die Initiative „Gemeinsamstark“ ein zum Pressegespräch. Im Modehaus Wöhrl in der Innenstadt. Medienvertreter durften da mal wieder rein. Wenigstens die…

Axel Schöll war auch da. Der Kreisvorsitzende aller Einzel- sowie – für sich selbst sprechend – Schuhhändler, der seit Wochen der „Mr. Erbost“ ist, weil sich einfach nichts tut in Sachen Perspektive für die Geschäftswelt abseits von Supermärkten mit täglich tausenden Kunden. Unlängst erst erwirkten die Schuhhändler in Bayern ihre Wiedereröffnung, Bayern-Kini Söder bremste nun wieder aus, weshalb auch andere Läden zurückfielen in Click & Collect, Click & Meet oder Click & Kackup – je nach Inzidenzwerten unter/über 50 oder 100 oder was auch immer.

Hassmails bekam Schöll am Donnerstag. „Zu Dir komme ich nicht mehr, weil ich keine Blumen mehr kaufen kann“, so soll – harmlos ausgedrückt – sich jemand geäußert haben gegenüber dem Geschäftsmann, der vor ein paar Wochen in einem BR-Studio Markus Söder gegenüber saß, der aber auf seine vielen Fragen nur samtweiche Politiker-Antworten bekam. Nun sind die Läden der Einzelhändler fast alle wieder dicht.

Wöhrl-Geschäftsführer Philipp Stein als Gastgeber begrüßte die Initiative Gemeinsamstark zu einem Pressetermin. Im Vorfeld hieß es: „Der Unmut in der Bevölkerung wächst von Tag zu Tag und mittlerweile gibt es einige Initiativen auch in Bayern, die sich gegen die aktuellen Maßnahmen und den anhaltenden Lockdown aussprechen. Keiner davon ist Corona-Leugner, Querdenker oder Rechtsextremer. Es sind vernünftige Unternehmerinnen & Unternehmer, Bürgerinnen & Bürger, die sinnvolle, gerechte, wirksame, transparente und nachvollziehbare Maßnahmen wollen! Der Lockdown richtet erhebliche Nebenwirkungen & Kollateralschäden an, wirtschaftlich, sozial und psychisch. Der Lockdown ist nicht mehr das richtige Mittel, um die Pandemie zu bekämpfen – wir brauchen endlich wirksamere Lösungen & Konzepte!“

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Auf 4000 Quadratmetern Fläche habe Wöhrl volle Warenbestände, aber nicht einen Kunden. „Ich komme mir vor wie in der Dauer-Warteschleife. Das ist ein unerträglicher Zustand und existenzbedrohend, wenn wir uns von Lockdown zu Lockdown hangeln. Ich will endlich wieder freundliche Gesichter in einer belebten Innenstadt sehen“, sagt Stein. Die Idee aller Geschäftsleute: Ein Testcenter im Innenstadtbereich, wer Corona-negativ ist, darf mit Tagespass nach Lust und Laune shoppen.

Oder Essengehen. Der Perspektivlosigkeit seit Anfang November 2020 sei das Hauptproblem, weiß Frank Seger, Inhaber des Restaurants Chumbos am Obertor und Kreisverbands-Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA. Das „To go“-Geschäft bringe nicht weiter, da seien die Kosten höher als die Erträge. Auf Nachfrage bekam er zwar die Novemberhilfe, Mitarbeiterlöhne aber musste er vorstrecken. „Das kostet Nerven und Geld, viele von un sind in der Existenz bedroht“, sagt Seger, der nicht verstehen kann, wieso ausgeklügelte Gastronomie-Konzepte zum Schutz der Gäste nicht helfen, um öffnen zu dürfen, „aber zuhause können die Leute machen, was sie wollen“.

Seine Kollegin Susanne Mangold aus der Hotelbranche (Übernachtung, Frühstücksmeisterei und Catering am Kornmarkt) spricht von der letzten Vollbelegung im März 2020. „Wir brauchen eine Tourismus-Perspektive“, sagt sie. Die Radfahrer fehlen, natürlich auch andere Gäste. 15 Wochen im Jahr besuchen sonst bis zu 700 Leute Seminare von Jürgen Höller auf der Maininsel. Das alles fehle. Hygienevorschriften? „Besser als wir kann man es nicht umsetzen. Aber zuletzt durfte die halbe Welt nur nach Malle reisen…“, wundert sich Mangold.

Jochem Kehl ist der nächste Betroffene. Schweinfurter und Fitnessclub-Betreiber, Inhaber des INJOY Markt Schwaben. Drei bis fünf Jahre länger als geplant müsse er nun arbeiten, hat er hochgerechnet angesichts des Einnahmeverlustes. Für die besten Luftfilter der Räume, in denen in der Fitnessbranche der Hygienegedanke eh ganz oben stehe, habe er staatliche Zuschüsse bekommen. „Aber jetzt stehen sie bei uns herum und ich darf sie nicht einsetzen!“ Seit Januar wartet er auf staatliche Hilfe, „und wir haben jetzt schon April! Wir leben vom Ersparten!“ Er werde alleine gelassen, genauso die Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen angewiesen sind auf ihr Training. „Hier muss etwas passieren!“ Kehl ärgert, dass „70 Prozent der Menschen Rentner sind oder in der Großindustrie arbeiten. Denen geht´s gut.“ Axel Schöll ärgert, dass bei Lockdowns nur Händler und Dienstleister weggesperrt werden, über die Industrie aber niemand nachdenke. Hotspots würde man eher dort finden.

Mit dem Aschaffenburger Bundestagsabgeordneten Karsten Klein kam auch der unterfränkische Bezirksvorsitzende der FDP zu dem Termin in Schweinfurt. Merkel und die Ministerpräsidenten würden „am Bundestag vorbei reagieren mit ihren Konferenzen. Ein undurchdringlicher Regeldschungel“, zu spät ausgezahlte Hilfen oder alleine in Bayern 400.000 nicht verimpfte Dosen ärgern den Politiker, der einfach anregt, Geschäfte zu öffnen und die Kunden mit Abstandsregel, Maskentragen und unter Voraussetzung eines negativen Corona-Tests einkaufen zu lassen. „Und nicht immer alle auf nächste Woche vertrösten!“

Was auch Axel Schöll weiß: „Bis zur Normalität wird´s noch lange, lange dauern!“ Doch die Geschäftsleute wollen den Menschen Verantwortung geben, ihnen das Essengehen, Sportmachen oder den Kauf eines T-Shirts ermöglichen, damit sich die Leute vor Langweile nicht wild in dne Wehranlagen versammeln müssen. „Beim Golfspielen bin ich mit 300 Meter Abstand alleine. Das darf ich nicht, über die Anlage spazieren aber schon…“, wundert sich Jochem Kehl. „Wird in einem Supermarkt denn ein Einkaufswagen desinfiziert?“, fragt Philipp Stein. Die Schweinfurter Einzelhändler, Dienstleister, Hotelbetreiber, Fitnessclubs und Gastronome verweisen auf ihre ausgeklügelten Hygiene-Konzepte. „Wir wollen Gas geben“, sagt Axel Schöll, „und jetzt ist die Schweinfurter Rathaus-Mannschaft gefordert. Das muss jetzt funktionieren. So jedenfalls schafft man kein Vertrauen mehr in die Politik.“



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